Bolivien: Schwerer Rückschlag für Morales

A woman walks in front of a wall reading ´Evo (Morales) President´ in El Alto, on the outskirts of La Paz
A woman walks in front of a wall reading ´Evo (Morales) President´ in El Alto, on the outskirts of La Paz(c) REUTERS (DAVID MERCADO)
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Die Bolivianer fügten dem Präsidenten eine Wahlschlappe zu. Eine Mehrheit lehnte nach Auszählung von drei Vierteln der Stimmen das Referendum über eine Amtszeitverlängerung ab.

Buenos Aires/La Paz. Bolivien setzt der Ära Morales ein mittelfristiges Ende. In einer Volksabstimmung am Sonntag verweigerte offenbar eine Mehrheit der Wähler in dem Andenland ihre Zustimmung zu einer Verfassungsänderung, die dem Präsidenten eine Amtszeit über 2019 hinaus erlaubt hätte. Nach Auszählung von rund drei Vierteln der Stimmen lag das Lager des No bei 56,5 Prozent, während das Sí auf 43,2 Prozent kam.

Weil sich die Auszählung der Stimmen aus dem Landesinneren und dem Ausland – ein Fünftel der Bolivianer lebt in Brasilien und vor allem in Argentinien – noch hinziehen dürfte, sprach Vizepräsident Álvaro García Linera einstweilen von einem „technischen Gleichstand“. Das regierende Movimiento al socialismo (Mas) wollte den Paragrafen 168 der Verfassung des „plurinationalen Staates“ ändern, die Evo Morales und dessen Partei nach dreijährigem Ringen 2009 durchsetzen konnten. Dieses Grundgesetz sah maximal zwei Amtszeiten vor, die Änderung sollte nun Präsidenten und Vizepräsidenten eine weitere Periode ermöglichen.

Angeschoben wurde das Projekt von der Mas-Basis, wie Präsident Morales mehrfach erklärte. Man habe ihn überzeugt, dass nur er imstande sei, die vielen Strömungen der Bewegung – Landarbeiter, Indigene, Gewerkschaften – zusammenzuhalten und die 2006 begonnene Umgestaltung des Staates zu vertiefen. Hätte am Sonntag das Sí gewonnen, hätte das Morales die Gelegenheit geboten, das 200-Jahr-Jubiläum der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 2025 noch als Präsident zu begehen.

Ablehnung auch in Potosí

Doch offenbar waren die Bolivianer nicht bereit dazu. In sechs von neun Provinzen siegten die Neinstimmen. Nur Oruro, wo Morales geboren wurde, Cochabamba, wo er aufwuchs und seine Karriere in der Koka-Gewerkschaft begann, sowie La Paz, wo die Regierung sitzt und wohin die meisten öffentlichen Gelder fließen, stimmten mehrheitlich für eine Verfassungsänderung. Den härtesten Widerstand formulierten die Wähler in den drei östlichen Tieflandregionen Beni, Pando und Santa Cruz sowie im südlichen Tarija, wo Boliviens wichtigste Gasquellen liegen. Besonders schmerzhaft waren die 60 Prozent Ablehnung in Potosí, der südlichsten Hochlandprovinz, deren Bewohner großteils Indigene sind – einst eine Morales-Hochburg.

Der Präsident, dessen Amtszeit noch bis Ende 2019 währt, hat eine Zustimmung von 70 Prozent als Ziel ausgegeben. Doch die Zeiten der großen und automatischen Mehrheiten sind offenbar vorbei, obwohl Mas inzwischen alle wichtigen Schaltstellen des Landes kontrolliert. Im Kongress besetzt die Bewegung 130 von 166 Sitzen, im Senat 25 von 36. Dort wurde die Verfassungsänderung im November durchgewinkt.

Die Justiz hatte nichts auszusetzen, auch hier hat Mas entscheidenden Einfluss. Darum störte sich auch kein Richter daran, dass Morales tatsächlich bereits in seiner dritten Amtszeit ist, obwohl seine eigene Verfassung nur zwei erlaubt. Weil Mas auch die Wahlbehörde kontrolliert, mahnen mehrere Kommentatoren davor, zu früh den Sieg des No zu verkünden.

Selbst wenn es am Ende – wie auch immer – doch noch zu einem Sieg des Sí reichen sollte (schon 2014 gab es massive Unregelmäßigkeiten), ist klar: Das Referendum war für den Hobbyfußballer Morales ein Eigentor. Selbst ein knapper Sieg wäre ein empfindlicher Rückschlag für den Präsidenten, der noch vier Amtsjahre vor sich hat. Morales muss mit angekratztem Prestige den Verteilungskampf aufnehmen, den das Einbrechen der Rohstoffpreise unweigerlich auslösen wird. Um 30 Prozent sanken die Einnahmen aus dem Verkauf von Erdgas, seit Jahren die wichtigste Finanzierungsquelle.

Negativer Haushalt

Schon seit dem Wahljahr 2014 ist der Haushalt negativ, bisher hielt die Regierung das Wachstum von etwa vier Prozent mit Mitteln aus dem auf über 40 Milliarden Dollar angewachsenen Devisenreserven aufrecht. Morales hat schon angekündigt, dass sein Volk den Gürtel wird enger schnallen müssen. Zugleich ist sein Projekt einer Industrialisierung des immer noch agrarisch geprägten Landes stecken geblieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2016)

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