Evangelikale: Gottes Werk, des Donalds Beitrag

Republican U.S. presidential candidate Donald Trump speaks at a campaign rally in Oklahoma City
Republican U.S. presidential candidate Donald Trump speaks at a campaign rally in Oklahoma CityREUTERS
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Weiße evangelikale Protestanten sind die größte Wählergruppe der Republikaner, vor allem in den Südstaaten, wo am Dienstag gewählt wird. Sie neigen stark dem weltlichen Donald Trump zu.

Die jüngste Fernsehkonfrontation der republikanischen Präsidentschaftskandidaten am Donnerstag, mit ihren Schreiduellen und Beschimpfungen, nahm auch Russell Moore gehörig mit. „Meine Güte, diese Debatte anzuschauen ist, wie wenn man um zehn Uhr abends ein Red Bull trinkt“, unkte der Präsident der Ethics & Religious Liberty Commission of the Southern Baptist Convention via Twitter.

Diese Organisation mit dem sperrigen Namen ist gewissermaßen die wichtigste öffentliche Vertretung der evangelikalen Christen, der größten Glaubensrichtung in den USA. 25,4 Prozent der Amerikaner bezeichneten sich im Jahr 2014 laut einer Studie des Pew Research Center als evangelikale Protestanten. Dahinter landeten die Konfessionslosen mit 22,8 Prozent und die Katholiken mit 20,8 Prozent.

Besonders stark sind die Evangelikalen in den Südstaaten vertreten. Dort stellen sie durchschnittlich mehr als ein Drittel der Bevölkerung. Sie sind politisch tief gespalten: In Tennessee sind, ebenfalls laut Erhebungen von Pew, 67 Prozent der Republikaner evangelikale Protestanten, aber nur 39 Prozent der Demokraten. Ähnlich ist die Schieflage in Alabama (63 zu 28 Prozent), Arkansas (61 zu 34 Prozent) und Georgia (57 zu 21Prozent). All diese Staaten zählen zu jenem Dutzend, in dem die beiden Parteien am Dienstag Vorwahlen für die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten abhalten. Auf Seiten der Republikaner wären, zumindest theoretisch, die Senatoren Ted Cruz und Marco Rubio die Favoriten der weißen Evangelikalen, sagt Andreas Köstenberger, Professor am Southeastern Baptist Theological Seminary in Wake Forest, North Carolina, zur „Presse am Sonntag“.

„Viele von uns sind besorgt, dass Christen nicht mehr die Freiheit haben, traditionelle Werte und Lebensgemeinschaften zu leben. Cruz und Rubio sind jene Kandidaten, die das am stärksten vertreten“, sagt der gebürtige Wiener, der als nicht besonders religiöser Student an der Wirtschaftsuniversität beim Bibelstudium sein „Erweckungserlebnis“ hatte und Baptist wurde.


Trumps verbotener Reiz.
Damit meint er vor allem die 2015 vom US-Verfassungsgerichtshof legalisierte Ehe Gleichgeschlechtlicher und die Frage, inwiefern Standesbeamte, Floristen oder Zuckerbäcker, die sie ablehnen, homosexuellen Paaren Trauscheine ausstellen, Brautsträuße verkaufen oder Hochzeitstorten backen müssen.
Seit dem Beginn des Evangelikalismus in England und den nordöstlichen amerikanischen Kolonien in den 1730er-Jahren hat sich der stark individualistische Charakter dieser Glaubensform dem Lebensgefühl vieler Amerikaner eingeschrieben. Diese Haltung, sich weder von weltlichen noch kirchlichen Autoritäten etwas vorschreiben zu lassen, bestimmt vor allem im Süden der USA das Ethos vieler weißer Evangelikaler. „Politische Korrektheit“ ist für sie oft ein Hasswort, unter das sich sämtliche gesellschaftlichen Veränderungen der letzten 50 Jahre subsumieren lassen – allen voran die Emanzipation der Schwarzen.

Das mag als Erklärung für einen paradoxen Befund nach der Vorwahl in South Carolina dienen. Denn dort landeten Cruz und Rubio bei den Evangelikalen klar hinter dem in dritter Ehe lebenden Casinobesitzer Donald Trump. Eine neue Studie des Politikwissenschaftlers Marc Hetherington von der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, hilft, dies zu erklären. In seiner Befragung befürworteten weiße südstaatliche Evangelikale Aussagen wie „Wenn die Schwarzen sich nur mehr anstrengen würden, ginge es ihnen genauso gut wie den Weißen“ am stärksten. Demokraten seien im Vergleich zu 1986, als er dieselben Fragen stellte, etwas weniger rassistisch voreingenommen – Republikaner hingegen umso mehr, jene im Süden am stärksten, schrieb Hetherington in einem Beitrag für den „Cook Political Report.“

Das macht den recht unchristlich lebenden Trump mit seinen Angriffen auf die „politische Korrektheit“ und seinem bizarren jahrelangen Beharren darauf, dass Amerikas erster schwarzer Präsident, Barack Obama, nicht in den USA geboren sei, für die weißen Evangelikalen attraktiv. Und es erklärt den Kummer evangelikaler Meinungsführer wie Russell Moore: „Ich vermisse George W. Bush“, twitterte er jüngst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2016)

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