Flüchtlingspolitik: Merkel bekommt Applaus von links

German Chancellor Merkel makes statement in Berlin
German Chancellor Merkel makes statement in Berlin(c) REUTERS (HANNIBAL HANSCHKE)
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Nach dem Plädoyer für ihre Flüchtlingspolitik im TV erntet die deutsche Kanzlerin Lob von SPD und Grünen. Die meiste Kritik kommt aus der bayerischen Schwesterpartei CSU.

Berlin. „Meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit besteht darin, dafür zu sorgen, dass Europa einen gemeinsamen Weg findet.“ Es sind Zitate wie dieses, mit denen Angela Merkel sich Sonntagabend einiges an Respekt erworben hat. Trotz der Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik hatte sich die deutsche Kanzlerin in der TV-Talkshow „Anne Will“ überzeugt gezeigt, dass ihr Weg der richtige sei. Nüchtern, besonnen, wider den Kleingeist – solches Lob erntete sie medial dafür, Haltung wurde ihr attestiert. Dafür, dass sie ihre Vision verteidigt, nämlich eine gemeinsame europäische Lösung für die Flüchtlingsfrage.

Es war ein Auftritt, der der Kanzlerin viel Applaus bescherte – vor allem von links. „Wer Merkel will, muss Grün wählen“, twitterte etwa der Grüne Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek. Und auch aus der SPD gab es Lob für Merkel. Man müsse „gemeinsam mit anderen für europäische Werte streiten“, sagte etwa SPD-Vize Ralf Stegner. „Da hat Frau Merkel die SPD an ihrer Seite.“ Weniger überraschend gab es auch Lob aus der eigenen Partei. „Ich sage ja: Es ist eine Ehre, mit Angela Merkel diesem Land zu dienen“, stellte CDU-Generalsekretär Peter Tauber fest.

Kritik an Österreichs Verhalten

Doch die politische Heiligsprechung der Kanzlerin lässt sich aus den gesammelten Reaktionen nicht ableiten. Denn vor allem aus der CSU, der bayerischen Schwesterpartei, war das bereits bekannte Murren der Unzufriedenheit nicht zu überhören. Von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, der nicht erwartet habe, „dass sie durch einen Fernsehauftritt neue Positionen verkündet“, bis zu Finanzminister Markus Söder, der zwar zugesteht, dass eine europäische Lösung das Beste wäre, nur dass er eben nicht daran glaubt, dass es sie geben werde.

Merkel hat noch den Optimismus, auf eine europäische Lösung hinzuarbeiten. Auch, wenn zuletzt Österreich mit den Tageskontingenten für Flüchtlinge und dem Wiener Treffen mit Vertretern der Balkanländer eigene Maßnahmen gesetzt hat – was Merkel auch scharf kritisierte: „Das ist genau das, wovor ich Angst habe. Wenn der eine seine Grenze definiert, muss der andere leiden. Das ist nicht mein Europa.“ Konkret sieht sie nun Griechenland in Gefahr, das man nicht im Stich lassen dürfe, weil sich dort nun all jene Flüchtlinge sammeln, die nicht mehr weiterkommen.

Ungeachtet der österreichischen Reaktionen auf die Vorwürfe (siehe Artikel links) hofft Merkel auf den EU-Türkei-Gipfel am kommenden Montag. Sollte es dort zu keiner Lösung kommen, werde es eben beim nächsten Gipfel am 18. März weitere Gespräche geben. „Das alles mag manchen zu langsam gehen“, sagte Merkel. Aber es sei der einzige Weg. Und neben der Bitte um Geduld kommt immer wieder der Optimismus: „Ich glaube, wir sind besser dabei, als manch einer denkt, aber dass noch eine Wegstrecke vor uns liegt.“

Es ist eine Wegstrecke nicht nur auf europäischer Ebene, auch aus innenpolitischer Sicht hat das Flüchtlingsthema enormes Sprengpotenzial. Vor allem die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 13. März sorgen in der CDU für Verunsicherung – aus Angst, dass man wegen Merkels Flüchtlingspolitik abgestraft werden könnte. Die rheinland-pfälzische CDU-Kandidatin Julia Klöckner holte sich zuletzt sogar Bayerns Horst Seehofer als Wahlhelfer, um Stimmen vom rechten Rand zu sammeln. Ganz mit der Kanzlerin verscherzen will sie es sich aber auch nicht, und so fährt sie einen Zickzack-Kurs zwischen Merkels Bekenntnis zu Europa und nationalen Einzelmaßnahmen.

Geld für „eigene Bevölkerung“

Ein Verhalten, das auch in der SPD zu beobachten ist, die von der gemeinsamen Regierungslinie mit der CDU immer wieder ausbricht, in der Hoffnung, damit ein drohendes Debakel bei den Wahlen abwenden zu können. Zuletzt etwa bei einem Vorstoß von Parteichef Sigmar Gabriel, dass man neben all den Ausgaben für Flüchtlinge auch ein „neues Solidaritätsprojekt für unsere eigene Bevölkerung“ starten müsse – weil die sich zunehmend benachteiligt sehe. Merkel reagierte auch darauf ruhig – aber ablehnend: „Ich glaube, dass Herr Gabriel etwas sagt, was einfach nicht den Tatsachen entspricht.“

AUF EINEN BLICK

Keine Obergrenze. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel beharrt weiter auf einer europäischen Lösung in der Flüchtlingsfrage. Den Vorstoß mit Tageskontingenten aus Österreich lehnt sie ab. Sie hofft, dass bei einem EU-Türkei-Gipfel eine Lösung gefunden wird, bei der die EU-Außengrenze zwischen Griechenland und der Türkei gesichert wird und im Gegenzug Europa der Türkei Kontingente an Flüchtlingen abnimmt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2016)

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