NPD-Verbot: Nagelprobe für den deutschen Verfassungsstaat

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GERMANY-COURT-EXTREMISM-FARRIGHT(c) APA/AFP/DPA/MARIJAN MURAT
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Das Bundesverfassungsgericht prüft ein Verbot der NPD wegen Verfassungswidrigkeit. Der Anwalt der Partei hegt am ersten Tag den Verdacht, dass noch immer V-Leute in die Führungsebene eingeschleust sein könnten.

Berlin. So viel Publicity hatte die Partei schon länger nicht mehr. Doch das Scheinwerferlicht, mit dem die Vertreter der NPD am Dienstagmorgen in Karlsruhe empfangen werden, könnte auch den Weg zum Ende weisen. Denn am Bundesverfassungsgericht wird darüber entschieden, ob die Nationaldemokratische Partei Deutschlands verboten werden soll. Für drei Tage ist die Verhandlung angesetzt, eine Verlängerung ist möglich. Und ein Urteil wird es wohl erst in einigen Monaten geben.

Die mündliche Verhandlung, der große mediale Auflauf und die Akribie, mit der über Details gestritten wird, ist erklärbar. Nicht nur, weil ein Verbot einer Partei eine „ernsthafte Bewährungsprobe für den freiheitlich-demokratischen Verfassungsstaat“ ist, wie es Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle formuliert, sondern auch, weil es bereits das zweite Mal ist, dass über ein Verbot der NPD verhandelt wird. Beim ersten Versuch hatten sich Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat im Jahr 2003 blamiert – weil sich herausstellte, dass in der Führungsebene der Partei V-Leute des Verfassungsschutzes eingesetzt waren.

Genau darum geht es am ersten Verhandlungstag. NPD-Anwalt Peter Richter gibt sich mit den vorgelegten Unterlagen nicht zufrieden, die beweisen sollen, dass keine V-Leute mehr in der Partei sind. Er fordert eine Bestätigung unter anderem von der Bundeskanzlerin. Immerhin könnte ja das Parteiprogramm, das als eine Grundlage der Verhandlung dient, von V-Leuten mitbeschlossen worden sein.

Ihm reicht die Erklärung von Stanislaw Tillich nicht aus, dass es in der NPD seit 2012 keine V-Leute mehr gebe. Der CDU-Politiker ist als Bundesratspräsident ein Vertreter des Verbotsantrags, der von den Bundesländern eingebracht wurde. Tillich begründet auch, warum er ein Verbot der Partei für nötig hält – weil sich die NPD durch ideologischen und radikalen Rassismus auszeichne. Ob die Partei verfassungswidrig ist, war beim ersten Verbotsverfahren wegen der V-Leute-Problematik gar nicht erst verhandelt worden. Das muss also bei der Neuauflage von null weg geschehen. Doch die inhaltliche Ebene ist am ersten Verhandlungstag lange nicht in Sicht.

NPD-Anwalt fühlt sich verfolgt

Die NPD fährt die Strategie, dass ihre Führung nach wie vor vom Verfassungsschutz unterwandert sein könnte und ein faires Verfahren deshalb nicht möglich sei. Und es geht auch um den Verdacht, dass auch ohne V-Leute Informationen abgerufen worden sein könnten – etwa von ausländischen Geheimdiensten. Das schließt der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, aber aus. Und auch NPD-Anwalt Richter selbst fühlt sich verfolgt – unter anderem wegen eines Autounfalls zwischen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes und Richters Mutter. Ein Zufall, meint Maaßen. Um das Verfahren ja nicht zu gefährden, habe man einen großen Bogen um den Anwalt gemacht.

Den Beginn macht der NPD-Anwalt überhaupt mit einem Befangenheitsantrag gegen zwei der Richter – sie haben sich vor ihrer Tätigkeit am Verfassungsgericht als Landespolitiker negativ über die NPD geäußert bzw. sich schon für ein Verbot starkgemacht. Auch gegen andere Richter legt er formelle Ablehnungsgründe vor. Das Gericht lehnt die Befangenheitsanträge am Nachmittag ab.

Mittwoch und Donnerstag sind noch als Verhandlungstage eingeplant. Die Frage, ob es zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu einem Parteiverbot kommt – 1952 wurde die nationalsozialistisch orientierte Sozialistische Reichspartei (SRP) und 1956 die als stalinistisch eingeordnete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten –, gestaltet sich am ersten Tag des Verfahrens jedenfalls zäh.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2016)

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