Flüchtlingskrise: Ankara macht der EU ein Angebot

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Vor dem Sondergipfel EU/Türkei am Montag soll Premier Ahmet Davutoğlu Ratspräsident Donald Tusk die Rücknahme nicht syrischer Migranten zugesagt haben.

Brüssel. Gibt es Hoffnung auf ein Happy End der Flüchtlingskrise? Diesen Eindruck vermitteln jedenfalls Zusagen, die der türkische Premierminister, Ahmet Davutoğlu, in seinem Gespräch mit Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag in Ankara gemacht haben soll und von denen die „Financial Times“ Wind bekommen hat. Demnach sei die Türkei bereit, nicht syrische Migranten von Griechenland zurückzunehmen. Auch habe Davutoğlu zu verstehen gegeben, dass Flüchtlingsboote, die in Gewässern zwischen Griechenland und der Türkei aufgebracht werden, ebenfalls zurückgebracht werden können – was bis dato nicht der Fall war. Denn die Tatsache, dass die vor drei Wochen beschlossene maritime Mission der Nato noch nicht gestartet ist, hat unter anderem mit der türkischen Weigerung zu tun, die Flüchtlinge in die Türkei zu bringen.

Sollten diesen (privat geäußerten) Worten Taten folgen, wäre dies ein Paradigmenwechsel. Von den insgesamt 1,2 Millionen irregulären Übertritten der EU-Seegrenze im Vorjahr wurden knapp 900.000 in Griechenland gezählt. Dämmt die Türkei den Flüchtlingsstrom ein, wäre die Krise vorerst einmal entschärft – vorerst, weil den Schleppern mit Italien eine zweite Mittelmeer-Destination zur Verfügung steht. Beim Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs mit ihrem türkischen Kollegen am kommenden Montag wird es darum gehen, Ankara den Deal schmackhaft zu machen. Eine potenzielle Belohnung ist die Visumfreiheit für Türken in der Europäische Union. Die EU-Kommission, die bis zum Herbst darüber befinden will, attestierte der Türkei am Freitag „große Fortschritte“ bei der Umsetzung der insgesamt 72 Bedingungen der Europäer – es geht unter anderem um die technischen Parameter der türkischen Reisepässe sowie darum, ob beispielsweise Nordafrikaner in die Türkei ohne Visum einreisen dürfen. Ankara erwartet weiters substanzielle Geldleistungen der EU (im Gespräch sind drei Mrd. Euro pro Jahr) sowie die direkte Übernahme syrischer Flüchtlinge aus Lagern in der Türkei.

Ein Schiff für Deutschland

Ein Merkmal der Flüchtlingskrise war bisher das Fehlen einer konstruktiven Kooperation zwischen Frankreich und Deutschland – Paris will bekanntlich lediglich 30.000 Flüchtlinge aufnehmen und lehnt ein Quotensystem für die europaweite Verteilung der Schutzbedürftigen ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Kollege François Hollande versuchten gestern, Gerüchte über das Ableben der deutsch-französischen Achse mit viel Pathos zu zerstreuen.

Auf die Flüchtlingsfrage „haben Deutschland und Frankreich dieselbe Antwort: Europa“, sagte Hollande. Was allerdings nicht bedeutet, dass sich Merkel allzu große Hoffnungen auf Hilfe aus Paris machen sollte. Sein Land werde lediglich die bereits vereinbarte Zahl der Flüchtlinge übernehmen, bekräftigte Hollande – und das nur unter der Voraussetzung, dass die Schengen-Zone in der Zwischenzeit nicht auseinanderfällt. Solidarität will Frankreich mit der Entsendung eines Kriegsschiffs in die Ägäis zeigen, das die Nato-Mission unterstützen soll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2016)

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