Mazedonien schließt letztes Tor zur Balkanroute

Das Zeltlager in Idomeni.
Das Zeltlager in Idomeni.APA/AFP/DIMITAR DILKOFF
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Nach Serbien und Slowenien schließt Mazedonien seine Grenzen für Flüchtlinge komplett. Griechenland will neue Lager für die Menschen aus Idomeni errichten.

Vorerst ist sie wirklich Geschichte, die Balkanroute. Mazedonien hat seine Grenzen vollständig für Flüchtlinge geschlossen. Das sagte ein Polizeimitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden wollte, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Mazedonien folgt damit Slowenien und Serbien, die angekündigt hatten, keine Flüchtlinge mehr passieren zu lassen.

Alle drei Länder setzen damit faktisch eine Maßnahme um, die aus dem Entwurf der Abschlusserklärung des EU-Türkei-Gipfels gestrichen worden war. Nach Angaben von EU-Diplomaten hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erfolgreich dafür eingesetzt, die Formulierung zu streichen, dass die Westbalkan-Route für Migranten geschlossen sei.

Camp in Idomeni soll evakuiert werden

Das faktische Aus des "Durchwinkens" über den Balkan zwingt auch Griechenland zu weiteren Maßnahmen: Das provisorische Flüchtlingscamp in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze soll noch diese Woche geräumt werden. Die griechische Regierung will die bis zu 13.000 Menschen, die dort derzeit unter prekären Verhältnissen campieren, demnächst evakuieren. Das bestätigte ein Sprecher dem "Spiegel Online" am Dienstagabend.

Bereits am späten Nachmittag kursierten Gerüchte unter den meist syrischen Flüchtlingen in Idomeni, laut denen es wohl tatsächlich kein Weiterkommen über Mazedonien gebe. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR verteilte Flugblätter, die die Menschen auf Arabisch über "Relocation", also Möglichkeiten der Umsiedelung, informierten.

Außergewöhnlich viele Flüchtlinge waren am frühen Dienstagabend auf dem Weg weg von dem kleinen griechischen Grenzort zu sehen. Ein ungewöhnliches Bild, schätzten Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz den Zustrom nach Idomeni vor wenigen Tagen noch auf bis zu 2.000 Migranten täglich. Doch scheinen einige nun vorerst doch die Hoffnung aufgegeben zu haben, doch noch auf diesem Weg nach Zentraleuropa zu kommen.

Rom warnt vor neuer Fluchtroute über Albanien

Laut Informationen des "Spiegel Online" richtet die Regierung nun 15 neue behelfsmäßige Flüchtlingsunterkünfte ein, die Platz für 17.400 Menschen bieten und bis Sonntag fertiggestellt werden sollen. Dann sollen auch die noch in Idomeni verbleibenden Schutzsuchenden umgesiedelt werden. In ganz Griechenland halten sich derzeit rund 30.000 Flüchtlinge auf.

Die Regierung in Rom warnt angesichts der jüngsten Entwicklungen vor einer neuen Flüchtlingsbewegung von Albanien über die Adria nach Italien. Innenminister Angelino Alfano will noch diese Woche mit seinem albanischen Amtskollegen Saimir Tahiri in Tirana zusammentreffen, berichtete die Tageszeitung "La Stampa" am Mittwoch. Die neue mögliche Flüchtlingsroute ist nicht unbekannt.

Vor zwei Jahrzehnten überquerten tausende Albaner an Bord von Flüchtlingsschiffen die 80 Kilometer lange Strecke über die Adria. Lediglich 50 Seemeilen trennen Albanien von Apulien, mit einem schnellen Motorboot kann die Strecke in zwei Stunden bewältigt werden. Gute Wetterbedingungen in den nächsten Monaten könnten zu einem rasanten Anwachsen der Flüchtlingsanzahl in Richtung Süditalien beitragen.

"Müssen für Notstand bereit sein"

Schon am Montag war der Staatssekretär für Europafragen, Sandro Gozi, deswegen nach Tirana gereist, um dem albanischen Premier Edi Rama Italiens Kooperation bei strengeren Kontrollen gegen Schlepper über die Adria anzubieten. "Albanische Menschenhändler könnten sich wie vor 20 Jahren in Bewegung setzen", meinte der Präsident der Auslandskommission im römischen Senat, Pier Ferdinando Casini. Die Sorge sei, dass Albanien allein den Menschenhandel über die Adria nicht bekämpfen könne. Italien sei bereit, Schiffe und Personal zur Kontrolle der Adria-Strecke zwischen Albanien und dem süditalienischen Apulien zur Verfügung zu stellen.

Daher nahm Italien auch Kontakte zu Montenegro auf. "Sollte sich die Adria-Route öffnen, müssen wir in der Lage sein, mit einem neuen Notstand umzugehen", sagte Alfano laut "La Stampa".

(APA/Reuters)

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