Pjöngjang will südkoreanisches Eigentum liquidieren

Kim Jong-un
Kim Jong-un(c) Reuters
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Nordkorea soll erneut zwei Kurzstrecken-Raketen über das Meer abgefeuert haben. Die Geschoße seien etwa 500 Kilometer weit geflogen, heißt es.

Tokio. Chinas Außenminister beschreibt die Lage mit dramatischen Worten: „Schwerter werden gezogen, die Bogen sind gespannt, Pulverdampf liegt in der Luft.“ In diesem traditionellen Sprichwort mag eine ganze Menge asiatische Lyrik stecken, aber auch die Warnung von Pekings Chefdiplomaten vor einer gefährlichen und kaum noch zu kontrollierenden Eskalation in Fernost. Unter Experten in Seoul und Tokio setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass noch in diesem Jahr auf der koreanischen Halbinsel Entscheidendes geschehen könnte, es zum großen Wandel in oder um Nordkorea kommt: eine kriegerische Explosion oder die Implosion des Pjöngjanger Regimes.

Beinahe täglich beunruhigt Despot Kim Jong-un die internationale Öffentlichkeit mit besorgniserregenden Ankündigungen oder Taten. Am Donnerstag schoss Nordkorea zwei Mittelstreckenraketen über 500 Kilometer in Richtung Japanisches Meer. Am Mittwoch vermeldete das nordkoreanische Staats-TV einen angeblich „spektakulären Erfolg“ seiner Wissenschaft. Man sei jetzt in der Lage, so kleine Atomsprengköpfe herzustellen, dass sie jederzeit auf selbst produzierte Interkontinentalraketen montiert werden und „jeden Feind treffen“ könnten. Zum Beweis für diese schräge These zeigte das Propaganda-TV den Führer Kim Jong-un vor einem solchen „Sprengkopf“ – silbermetallic in der Größe eines Medizinballs.

Zwar glaubt das südkoreanische Militär an einen plumpen Bluff. Ein Atomexperte der Kyung-Hee-Universität zweifelt, dass sich der Diktator höchst persönlich ohne Schutzkleidung vor einem radioaktive Strahlung aussendenden Waffenteil präsentieren würde, aber die Show passt ins Bild des „zum wahllosen Atomschlag bereiten“ Regimes. Bei dieser Gelegenheit verkündete der (geschätzt) 34-Jährige, sein Land verfüge nun über „echte nukleare Abschreckung“.

Man darf das politische Kalkül solcher martialischer Provokationen hinterfragen, aber auch, woher das Regime die finanziellen Mittel für seine Aufrüstung nimmt. Eine Antwort gab Pjöngjang ganz offiziell. Gestern wurde verkündet, das gesamte südkoreanische Eigentum im Land liquidieren und verkaufen zu wollen. Alle bilateralen Abkommen mit dem kapitalistischen Bruderland würden als ungültig betrachtet. Gemeint ist vor allem die gemeinsame Industriezone Kaesong, die Kim schließen und beschlagnahmen ließ.

Im einstigen Vorzeigesymbol der Entspannung direkt an der demilitarisierten Zone produzierten seit Anfang des Jahrtausends 124 Unternehmen aus Südkorea mit 55.000 billigen Beschäftigten aus dem Norden Textilien, Schuhe und Uhren. Das brachte dem Kim-Regime noch 2015 etwa 110 Millionen Dollar dringend benötigter Devisen. Mit der Stilllegung dieser Einnahmequelle verhängt Kim Jong-un quasi Sanktionen gegen sich selbst. Auch der Verkauf des südkoreanischen Industrievermögens sollte international eigentlich unmöglich sein. Offiziell ist dem Regime nun generell keine Valuta-Beschaffung mehr möglich.

Allerdings wird immer wieder vermutet, dass Pjöngjang mithilfe asiatischer Geschäftspartner mehrere Bypässe gelegt hat, um illegale Finanzströme zu tarnen. (a.k.)

(APA/Reuters/dpa)

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