AfD krempelt deutsche Parteienlandschaft um

AfD-Chefin Frauke Petry
AfD-Chefin Frauke Petryimago/Future Image
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Die neue Partei zog in drei Landtage ein, die SPD gewann in Rheinland-Pfalz, die CDU freut sich in Sachsen-Anhalt über einen ersten Platz, die Grünen schaffen in Baden-Württemberg ein Traumergebnis.

So wirklich befriedigend ist es für keine der im deutschen Bundestag vertretenen Parteien, das Ergebnis der drei Landtagswahlen vom Sonntag. In Baden-Württemberg siegten die Grünen überzeugend, in Rheinland-Pfalz gewann am Ende doch noch die SPD, und in Sachsen-Anhalt erwartungsgemäß die CDU. Doch Koalitionen werden für die Sieger nicht allzu leicht gebildet werden können. Und mit der AfD hat eine neue Kraft zum Teil massive Gewinne erzielt – in Sachsen-Anhalt stürmte sie sogar auf Anhieb auf den zweiten Platz, in Baden-Württemberg auf Platz drei.

"Man hat uns auf jede erdenkliche Weise bekämpft, man hat uns als Dumpfbacken, Pack und Idioten bezeichnet, hat uns als Rechtsextremisten, Rassisten und Fremdenfeinde verunglimpft, die wir nicht sind, und niemals sein werden", kommentierte Jörg Meuthen, Spitzenkandidat in Baden-Württemberg und zweiter Sprecher der Bundespartei.

Wie wichtig war das Flüchtlingsthema?

Was bedeuten die Wahlergebnisse für die Lage im Bund? Immerhin war das Votum auch als ein Test für Kanzlerin Angela Merkels Flüchtlingspolitik angekündigt worden. Einen eindeutigen Schluss, ob Merkel nun profitiert oder nicht, lässt das Ergebnis insgesamt aber eher nicht zu. Denn mit den Siegen des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg und seiner SPD-Kollegin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz wurden zwei beliebte Politiker in ihren Ämtern bestätigt, die in der Flüchtlingspolitik keineswegs restriktiv sind. Und die Flüchtlingssituation machte wohl nur einen kleineren Teil der Wahlentscheidungen aus.

Klöckner wagte Seiltanz - und verlor

Kretschmann verbesserte sein Ergebnis von der letzten Wahl 2011 von 24,1 Prozent auf gut 30 Prozent, erste Hochrechnungen hatten das Ergebnis sogar noch höher gesehen. Kretschmann wird daher nach Lage der Dinge weiter Ministerpräsident bleiben, die Frage ist allerdings, mit wem er regiert, denn sein bisheriger Koalitionspartner SPD verlor massiv. „Ihr habt zurecht geklatscht, die Baden-Württemberger haben heute nochmal Geschichte geschrieben und die Grünen zur stärksten Kraft im Landtag gemacht", sagte Kretschmann in Stuttgart. Die Partei, für die Kretschmann alles andere als ein typischer Vertreter ist, hat allerdings zwei große Wermutstropfen zu verkraften: in den beiden anderen Bundesländern erreichte sie nur ein äußerst mageres Ergebnis, in Rheinland-Pfalz stürzte man gegenüber 2011 von 15,4 Prozent sogar auf knapp über fünf Prozent ab.

Klar ist, dass vor allem die AfD von der Flüchtlingssituation profitierte. Doch auf der anderen Seite haben nicht alle CDU-Kandidaten, die sich mehr oder weniger scharf von Kanzlerin Merkels Kurs distanzierten, damit punkten können. So scheiterte in Rheinland-Pfalz Julia Klöckner, die im Wahlkampf einen regelrechten Seiltanz aufführte zwischen Merkels Weg und einer scharfen Linie à la CSU. Auch Guido Wolf in Baden-Württemberg übte immer wieder vorsichtige Kritik an der Kanzlerin – und konnte damit nicht punkten.

SPD: Mehr bitter als zart

In Sachsen-Anhalt wagte indes CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff den kompletten Widerspruch mit der Forderung nach einer Obergrenze – und konnte immerhin den ersten Platz halten. Aber auch er musste Verluste hinnehmen, nahm aber gleich in seiner ersten Reaktion wieder auf das Flüchtlingsthema Bezug: "Dieses Thema lässt sich nicht mehr ausblenden. Es müssen jetzt Lösungen her."

Eher bitter als zart war der Sonntag für die SPD. Auf der einen Seite steht zwar der Sieg in Rheinland-Pfalz durch Malu Dreyer. Damit kann sie Ministerpräsidentin bleiben, auch hier ist allerdings noch nicht klar, mit wem sie regieren wird: "Wir feiern heute erstmal", wollte sie sich am Wahlabend noch auf keine Spekulationen einlassen.

Doch das dramatische Abrutschen in Baden-Württemberg, wo man von 23,1 auf unter 13 Prozent – und damit hinter die AfD – zurückfiel, und das vernichtende Ergebnis in Sachsen-Anhalt (mit knapp über zehn Prozent gerade noch zweistellig und hinter AfD und Linken auf dem vierten Platz) sind bitter für Parteichef Sigmar Gabriel. Und das kann auch bundespolitisch noch für Ärger sorgen. Denn abseits aller Versäumnisse in den Ländern oder schwachen Spitzenkandidaten muss gefragt werden, ob nicht Gabriels zeitweise unentschlossener Kurs bei der Flüchtlingspolitik zum schlechten Abschneiden beigetragen hat.

FDP wittert Regierungsluft

Neben der AfD, die nun in drei weiteren Landtagen vertreten ist, kann sich aber zumindest einer in jedem Fall freuen. Unter dem seit Ende 2013 amtierenden Bundesvorsitzenden Christian Lindner hat die FDP wieder den Weg nach oben eingeschlagen. In Rheinland-Pfalz ist den Freien Demokraten nicht nur der Wiedereinzug in den Landtag gelungen, sondern die Liberalen haben dabei auch noch die Grünen überholt. In Baden-Württemberg, wo die FDP noch im Landtag saß, konnte man sogar zulegen. In Sachsen-Anhalt war zunächst noch nicht klar, ob die FDP unter oder über der Fünf-Prozent-Hürde liegen würde.

Lindner witterte bereits wieder Regierungsbeteiligungsluft: "Die FDP ist bereit für Verantwortung. Wir haben aber auch die Lektion aus der Niederlage der Bundestagswahl gelernt. Wenn man nicht hinreichend viel von unseren Prinzipien in einem Regierungsprogramm findet, ist auch Opposition eine Option". Für Lindner ist das Ergebnis aber jedenfalls ein wichtiger Zwischenschritt, um die Freidemokraten 2017 wieder in den Bundestag zurückzubringen.

Die Partei "Die Linke" schaffte wie erwartet in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg den Einzug in den Landtag nicht, auch in Sachsen-Anhalt verlor sie, erreichte allerdings noch ein deutlich zweistelliges Ergebnis von 15,7 Prozent.

Im Folgenden die Hochrechnungen die vorläufigen amtlichen Endergebnisse:

Rheinland-Pfalz

Sachsen-Anhalt

Baden-Württemberg

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