Flüchtlingskrise: Schönborn lobt Merkels Kurs

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Der Kardinal kritisiert einen Mangel an europäischer Solidarität, zeigt aber Verständnis für Österreichs Regierung.

Wien/Idomeni. Großes Lob sprach Kardinal Christoph Schönborn am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingsfrage aus. „Ich freue mich, dass ihr die deutschen Bischöfe die Stange halten. Merkel ist eine sehr mutige, kluge Frau. Sie hat mit einem tiefen Gespür für Menschlichkeit gehandelt.“ Sie sei jene Person, die derzeit am stärksten darauf dränge, das Problem gemeinsam zu schultern. Dass mittlerweile immer mehr Länder eigene Schritte setzen, um Flüchtlinge abzuhalten, bezeichnet Schönborn als „beschämend“.

Zwar zeigte der Kardinal Verständnis für die Entscheidung der österreichischen Bundesregierung, Grenzen zu schließen. Gleichzeitig wies er aber auf eine mangelnde europäische Solidarität hin. „Das werfe ich aber der österreichischen Bundesregierung nicht allein vor, sondern auch vielen anderen europäischen Ländern.“ Die „Testfrage“ sei nun, wie es mit den Menschen an der mazedonisch-griechischen Grenze bei Idomeni weitergehe. „Da kann man nicht sagen: Das ist jetzt Griechenlands Problem.“

Wie Hilfsorganisationen berichten, hat sich die Lage an der Nordgrenze Griechenlands in den letzten Tagen verschärft. Noch immer warten dort 12.000 Menschen auf die Weiterreise nach Mazedonien. Busse, mit denen die Migranten zurück nach Athen reisen können, bleiben weitgehend ungenutzt. Indessen versinkt das provisorische Lager nach starken Regenfällen in Schlamm und Matsch. Ende der Woche wurde erstmals bei einem syrischen Kind die Infektionskrankheit HepatitisA diagnostiziert. Das Virus wird vornehmlich durch verunreinigtes Trinkwasser übertragen.

Die griechische Regierung hat bisher erfolglos versucht, die Menschen aus Idomeni in besser ausgestattete Auffanglager zu überstellen. Am Samstag wurden Flugblätter verteilt, mit denen die Flüchtlinge Informiert wurden, dass der Weg über Mazedonien nach Mittel- und Nordeuropa nunmehr versperrt ist. Auch neu ankommende Migranten werden mittlerweile in den griechischen Häfen davon in Kenntnis gesetzt, dass es sinnlos ist, nach Idomeni weiterzureisen.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) fordert indessen weitere Grenzschließungen. „Schlepperei lässt sich nicht ganz verhindern. Wir werden daher alles, was wir jetzt an der Westbalkanroute tun, auch entlang der Italien-Mittelmeer-Route tun müssen, sagte er in einem Gespräch mit der „Bild am Sonntag“. Die Grenzen dürften erst wieder aufgehen, „wenn der Flüchtlingszustrom nach Europa abgeebbt ist“.

„Menschenverachtender Zyniker“

In ungewöhnlich scharfer Form hat der grüne Europaabgeordnete Michel Reimon auf die jüngsten Ankündigungen von Außenminister Kurz reagiert. Reimon warf dem Minister in einer Aussendung vor, zur Abschreckung von Flüchtlingen bewusst humanitäre Missstände auf der Balkanroute herbeigeführt zu haben. „Sebastian Kurz will Elend produzieren.“ Er sei ein „menschenverachtender Zyniker“.

Anlass der Kontroverse war ein Interview von Kurz in der „Welt“. Darin hatte dieser sich skeptisch darüber geäußert, die Flüchtlingskrise allein durch die Türkei lösen zu lassen. „Es ist nachvollziehbar, dass viele Politiker Angst vor hässlichen Bildern bei der Grenzsicherung haben. Es kann aber nicht sein, dass wir diesen Job an die Türkei übertragen, weil wir uns die Hände nicht schmutzig machen wollen. Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen.“

Nicht nur für Österreich, sondern auch für Deutschland zeigt die verschlossene Balkanroute Wirkung. Waren im Februar noch 37.600 Flüchtlinge in Deutschland angekommen, waren es in den ersten zehn Tagen des März lediglich 2900. Zuletzt kamen weniger als hundert Personen pro Tag an der deutschen Grenze an. (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2016)

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