Paris-Attentäter Abdeslam gesteht Mittäterschaft

An ambulance believed to be carrying Salah Abdeslam, the most-wanted fugitive from November´s Paris attacks arrested yesterday, leaves the federal judicial police headquarters in Brussels
An ambulance believed to be carrying Salah Abdeslam, the most-wanted fugitive from November´s Paris attacks arrested yesterday, leaves the federal judicial police headquarters in Brussels(c) REUTERS (ERIC VIDAL)
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Der in Brüssel gefasste Islamist Abdeslam war der Logistiker der Paris-Anschläge, bei denen 130 Menschen starben. Er transportierte Attentäter, besorgte Sprengstoffzünder. In Paris wollte er sich in die Luft sprengen.

Brüssel. Der 26-jährige Islamist Salah Abdeslam ist der bislang einzige Verdächtige, dem der Strafprozess wegen der Terroranschläge in Paris vom 13. November 2015 mit 130 Todesopfern gemacht werden kann. Und er ist geständig. Er wurde am Freitagabend im Zuge einer Terrorfahndung in dem als Islamistenhochburg bekannten Brüsseler Stadtteil Molenbeek angeschossen, war kurz in Spitalsbehandlung und befindet sich jetzt in den Händen der belgischen Justiz. Die Staatsanwaltschaft erhob umgehend Anklage gegen ihn: wegen Mittäterschaft an terroristischen Morden und Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation.

Abdeslam, Franzose marokkanischer Abstammung, spielt, wie sich bei den ersten Verhören zeigte, tatsächlich eine Schlüsselrolle bei der Ausführung der Pariser Attentate. Er war gesucht worden, weil er Mietautos und Zimmer für die Kommandos organisiert haben soll. Am 13. November soll er die Attentäter, die sich vor dem Stade de France in die Luft gesprengt haben, mit einem Auto zu dem Stadion gefahren haben.

Terroristen transportiert, Zünder besorgt

Im Verhör gestand er das gestern auch den belgischen Ermittlern. Außerdem habe er sich selbst auch in die Luft sprengen wollen, habe es sich aber wieder überlegt. Warum, das gelte es noch genau zu klären, sagte gestern der französische Staatsanwalts François Molins. Abdesalam habe auch zugegeben, im Juli, September, Oktober and November in verschiedenen europäischen Städten gewesen zu sein. Er habe andere in die Anschläge verwickelte Attentäter transportiert und auch Sprengstoffzünder besorgt.

Noch am Freitagabend hatte Frankreichs Präsident François Hollande gefordert, Abdeslam müsse „so schnell wie möglich ausgeliefert werden“. Doch das könnte aber noch Wochen dauern: Gestern erklärte Abdeslams Verteidiger, sein Mandant wolle sich dagegen wehren. Abdeslam kooperiere mit der belgischen Justiz. Wenn er zu reden beginne, könnte dies bedeuten, dass Abdeslam länger in Belgien bleibe, sagte der belgische Staatsanwalt Eric Van der Sypt. Abdesalam solle für weitere Verhöre von Brüssel nach Brügge gebracht werden.
Gleichzeitig geht die Suche nach weiteren Beteiligten weiter. „Wir sind mit extrem großen Netzwerken konfrontiert“, sagt Hollande. Die Zahl derjenigen, die sich an der Vorbereitung der Anschläge beteiligt hätten, sei größer als zunächst angenommen.

Anwalt: Werden Auslieferung ablehnen

Sein Mandant lehne aber die Auslieferung an Frankreich ab. Frankreich bitte indes um die Auslieferung von Abdeslam, sagte der Anwalt vor Journalisten weiter. "Ich kann Ihnen bereits jetzt ankündigen, dass wir seine Auslieferung nach Frankreich ablehnen werden." Abdeslam war am Freitag in Brüssel aufgespürt und festgenommen worden. Noch am Abend sagte Frankreichs Präsident Francois Hollande, Abdeslam müsse "so schnell wie möglich" ausgeliefert werden.

Nach der Festnahme des mutmaßlichen Paris-Attentäters in Belgien muss nach Angaben der Regierung in Paris spätestens in 60 bis 90 Tagen über seine Überstellung nach Frankreich entschieden werden. Weil gegen Abdeslam ein europäischer Haftbefehl vorliege, sei das Verfahren "einfacher und effizienter als die Auslieferung", erklärte der französische Justizminister Jean-Jacques Urvoas am Samstag.

Eine endgültige Entscheidung über eine Überstellung des 26-jährigen marokkanischstämmigen Franzosen müsse in einer Frist von 60 Tagen nach seiner Festnahme erfolgen, hieß es in der Mitteilung des Ministers weiter. Wenn in einer höheren Instanz Widerspruch eingelegt werde, verlängere sich diese Frist auf 90 Tage.

"Das ist eine ausschließlich juristische Prozedur, in die die Exekutive nicht eingreift", versicherte Urvoas. Eine "Weigerung der betroffenen Person, an ausländische Behörden überstellt zu werden, stellt kein Hindernis für die Umsetzung der Überstellung dar", fügte der Minister hinzu.

Abdeslams Anwalt hatte bereits angekündigt, sich gegen eine Überstellung seines Mandanten an Frankreich zu stellen. "Wir werden zunächst schauen, ob der europäische Haftbefehl rechtens ist, und dann sehen wir weiter", sagte Sven Mary zudem. Gegen Abdeslam wurde am Samstag in Brüssel offiziell ein Ermittlungsverfahren wegen Terrorvergehen eingeleitet.

Anschließend sollte Abdeslam nach Brügge gebracht werden. Dort solle er inhaftiert werden, sagte die Sprecherin der belgischen Strafvollzugsbehörde, Kathleen Van de Vijver, der Nachrichtenagentur AFP.

Am Freitag in Molenbeek gefasst

Der Islamist wurde am Freitag im Brüsseler Stadtteil Molenbeek gefasst. Zudem wurden drei Mitglieder der Familie, die ihm Unterschlupf gewährten, sowie der nun mit ihm aus der Klinik entlassene Verdächtige festgenommen.

Abdeslam, ein 26-jähriger Franzose marokkanischer Abstammung, soll eine Schlüsselrolle bei der Ausführung der Pariser Attentate gespielt haben. So soll er Mietautos und Zimmer für die Kommandos organisiert und mehrere Attentäter zum Anschlagsort gefahren haben. Nach den Attentaten mit 130 Toten floh er offenbar mit Komplizen nach Belgien.

Abdeslam soll in Ulm Komplizen abgeholt haben

Im vergangenen Herbst soll Abdeslam in Ulm mögliche Komplizen abgeholt haben. Wie der Südwestrundfunk am Samstag unter Berufung auf polizeiliche Ermittlungen berichtete, fuhr er in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober mit einem auf seinen Namen angemieteten Wagen nach Ulm und offenbar nach nur rund einer Stunde wieder zurück. Er könnte dabei drei Männer, die sich als Syrer ausgegeben hatten, aus einer Flüchtlingsunterkunft abgeholt haben, in deren Nähe er geparkt hatte. Die drei Männer fehlten dort seither. Ihre Identität werde vom Bundeskriminalamt (BKA) gemeinsam mit französischen und belgischen Sicherheitsbehörden geprüft, hieß es. Die deutschen Behörden wollten sich demnach nicht zu dem Vorgang äußern.

Über den mutmaßlichen Aufenthalt des 26-jährigen Islamisten in Ulm hatte es schon zuvor Berichte gegeben. Auch sollen er und zwei mögliche Komplizen am 9. September unter Flüchtlingen an der österreichisch-ungarischen Grenze aufgetaucht und kontrolliert worden sein - obwohl Abdeslam kein Flüchtling war und sich als Franzose frei in Europa bewegen konnte.

(APA/AFP)

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