Terror in Brüssel: Ein Anschlag auf Europa

Hände halten gegen den Terror: Menschen gedenken vor der Brüsseler Börse der Opfer.
Hände halten gegen den Terror: Menschen gedenken vor der Brüsseler Börse der Opfer.(c) APA/AFP/KENZO TRIBOUILLARD
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Attentäter richteten auf dem Flughafen und im EU-Viertel ein Blutbad an. Mindestens 30 Menschen starben, rund 200 wurden zum Teil schwer verletzt. Der IS droht der EU mit „schwarzen Tagen“.

Brüssel. Es war eine düstere Botschaft, die die Extremisten des sogenannten Islamischen Staates (IS) in die Welt hinaus schickten: Den Europäern stünden „schwarze Tage“ bevor, drohte die Terrororganisation in einer Botschaft, die sie am Dienstagabend über den Kurznachrichtendienst Telegram versandte. Das sei die Vergeltung für die „Aggression der Kreuzfahrerallianz“ gegen den IS. Zuvor hatten sich die Jihadisten bereits zu den verheerenden Attentaten in Brüssel bekannt. Die Angriffe auf den Flughafen und die Metrostation Maelbeek im Brüsseler Europaviertel erschütterten die belgische Hauptstadt bis ins Mark. Sie waren eine Attacke auf das Nervenzentrum der EU – ein Anschlag auf Europa, der mindestens 30 Menschen das Leben kostete.

An die weiß gekachelten Wände der Bahnsteige in der Metrostation Maelbeek malte der flämische Künstler Benoît van Innis einst übergroße Gesichter anonymer Stadtbewohner, die den ein- und aussteigenden Passagieren der Linien 1 und 5 beim Weg in die europäischen Institutionen zusehen. Doch am Dienstag waren Benoîts sanft lächelnde Porträts Zeugen eines Massakers: Kurz nach neun Uhr, inmitten der morgendlichen Rushhour, explodierte in einem Zug in Richtung Innenstadt eine Bombe. Ein Waggon wurde zerfetzt, mindestens 20 Personen wurden in den Tod gerissen, 106 wurden nach Angaben des Brüsseler Bürgermeisters, Yvan Mayeur, teilweise schwer verletzt.

Genau eine Stunde zuvor hatten mehrere Attentäter den Brüsseler Flughafen Zaventem angegriffen. Um acht Uhr ereigneten sich in der Abflughalle des Airports zwei Explosionen, Augenzeugenberichten zufolge sollen kurz davor Schüsse gefallen sein, auch Rufe in arabischer Sprache seien vernommen worden. Die Wucht der Explosionen zerstörte die Glasfront des Gebäudes, mindestens zehn Menschen starben, die Zahl der Verletzten wurde vom Krisenstab der belgischen Regierung mit rund 100 beziffert. Wenig später fanden die Einsatzkräfte einen nicht detonierten Sprengsatz, der vom Entminungsdienst kontrolliert gesprengt wurde.

Die Attentäter hatten die Bomben nach Behördenangaben in ihren Koffern in die Abflughalle gebracht. "Sie kamen per Taxi mit ihren Koffern, darin waren die Bomben versteckt", sagte der Bürgermeister der Gemeinde Zaventem, Francis Vermeiren, am Dienstag. Sie hätten die Taschen dann auf Gepäckwagen gelegt und seien in das Flughafengebäude gegangen. "Die ersten beiden Bomben explodierten", sagte Vermeiren. Der dritte Täter habe seinen Sprengsatz nicht zur Detonation gebracht. "Er muss in Panik geraten sein", fügte der Bürgermeister hinzu. 

Am Nachmittag tauchten erste Fotos der mutmaßlichen Verdächtigen auf. Die Polizei verbreitete Bilder, die drei junge Männer mit Gepäckwagen am Flughafen zeigen. Die Ermittler gingen zunächst davon aus, dass zwei Männer als Selbstmordattentäter ums Leben gekommen sind. Ein Verdächtiger soll vom Flughafen weggerannt sein. Er wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Erst am Freitag war in Brüssel Salah Abdeslam gefasst worden, der mutmaßliche Kopf der Anschläge in Paris am 13. November 2015. Abdeslam soll auch Attentate in Brüssel geplant haben.

Weitere Bombe und IS-Flagge entdeckt

Die Behörden hoben die Alarmstufe auf das höchste Niveau: vier. In den Straßen marschierte Militär auf, um die Polizei zu unterstützen. Bei einer Hausdurchsuchung wurden laut dem Sender VRT in Brüssel eine weitere Bombe und eine IS-Fahne gefunden. Anders als beim berühmt-berüchtigten „Brussels Lockdown“ nach den Attentaten von Paris, als Brüssel für mehrere Tage lahmgelegt war, gab es diesmal keine Totalblockade. Bereits am Nachmittag wurde der Bahnverkehr zum Teil wieder aufgenommen, ebenso gingen zwei der vier Brüsseler Metrolinien wieder in Betrieb. Dafür wurden die belgischen Kernkraftwerke Doel und Tihange teilweise evakuiert.

Der Luftraum über Brüssel bleibt nach Behördenangaben bis mindestens Donnerstag geschlossen. Unterdessen ging man im Bürokomplex Berlaymont, dem nur wenige Schritte von Maelbeek entfernten Hauptquartier der EU-Kommission, bereits kurz nach den Anschlägen mit demonstrativem Sang-froid der Arbeit nach. „Auch wenn uns die Anschläge treffen, dürfen wir jetzt nicht in Panik verfallen“, teilte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Nachmittag in einer Aussendung mit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2016)

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