Zypern verlässt den Rettungsschirm

Tourists walk near a shipwreck in the coastal village of Pegeia
Tourists walk near a shipwreck in the coastal village of Pegeia(c) REUTERS (YIANNIS KOURTOGLOU)
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Die Erholung der Wirtschaft schritt – trotz nach wie vor bestehender Probleme – vergleichsweise rasch voran. Mehr als 30 Prozent der Hilfsgelder bleiben ungenützt.

Athen/Nikosia. Exakt drei Jahre ist es her, dass in Zypern der Weltuntergang ausbrach: Im März 2013 drehte die europäische Zentralbank den maroden Banken den Geldhahn zu, die Regierung musste Kapitalkontrollen einführen – 100 Euro pro Tag durften die reichen Zyprioten nur noch von ihren Bankkonten abheben. Die Spareinlagen über 100.000 Euro mussten einen Haircut über sich ergehen lassen.

Doch als gestern Martin Schulz, der Präsident des EU-Parlaments, beim zypriotischen Präsidenten Nikos Anastasiades zu Besuch war, war das alles kein Thema mehr. Schulz sprach mit dem Präsidenten über die Wiedervereinigung des türkisch besetzten Nordens mit dem griechischen Süden, die Flüchtlingskrise und die Aussichten der Türkei, der EU beizutreten. Die Wirtschaft stand nicht mehr auf dem Fahrplan. Denn Zypern hat den vielen Erfolgsgeschichten seit der Inselteilung 1974 eine weitere hinzugefügt: Drei Jahre nach dem Zusammenbruch der großen Systembanken und der Vereinbarung eines Hilfsprogramms in Höhe von zehn Milliarden Euro (Zypern nahm 6,4 Mrd. in Anspruch) verlässt das Land den Hilfsmechanismus.

Seit mehr als einem Jahr kann sich Zypern wieder über die Finanzmärkte versorgen, vor einem Jahr wurden die Kapitalkontrollen aufgehoben. 2015 gab es, begünstigt durch den starken Tourismus, gar ein Wachstum von 1,6 Prozent.

Was ist die Ursache für die schnelle Erholung? Offenbar saß der Wurm allein im zypriotischen Bankensystem. Nachdem die Laiki, die zweitgrößte Bank, abgewickelt und die größte, die Bank of Cyprus, restrukturiert und refinanziert wurde, sprang auch die restliche Wirtschaft wieder an. Europa und vor allem der IWF kritisieren zwar die stockende Reform der Zentralverwaltung und die zögerlichen Privatisierungen, etwa bei der staatlichen Stromgesellschaft – aber der öffentliche Haushalt ist bei Weitem nicht so problematisch wie der griechische und hat den Aufschwung der restlichen Wirtschaft nicht behindert. Außerdem haben die Zyprioten Opfer gebracht: Die Rechnung des Zusammenbruchs soll etwa 13 Milliarden Euro an Lohneinbußen und zusätzlichen Steuerleistungen betragen.

Wirkliche Probleme hat Zypern vor allem in zwei Bereichen: Die Staatsschuld bewegt sich um die hundert Prozent, was bedeutet, dass auch künftig keine budgetären Geschenke an die Bevölkerung möglich sein werden. Eine Zeitbombe für die Banken ist auch die viel zu hohe Zahl unbedienter Kredite, in der Mehrzahl private Wohnkredite: 60 Prozent sind im roten Bereich, eine Summe, die ca. 150 Prozent des Volkseinkommens ausmacht, wie man beim IWF anmerkt. Die verwöhnte zypriotische Jugend, so war 2013 zu hören, finanzierte sich ihren Wohlstand durch zu leichtfertig vergebene Kredite, die sie heute nicht mehr bezahlen kann. Doch auch hier ist man verhalten optimistisch: Die Lage hat sich stabilisiert. Letzten April wurde ein Gesetz beschlossen, das die Abgabe der Kredite an internationale Inkassofirmen und Fonds möglich macht – eine Praxis, gegen die sich Griechenland mit Händen und Füßen wehrt.

Chancen für Zypern-Lösung

Investitionen wie ein Terminal für die zukünftig zu erwartenden Öl- und Gasvorkommen vor Zypern und ein Kasino sollen Investoren anziehen – doch für die Investitionen würde vor allem eine Einigung über die Wiedervereinigung der Insel einen Quantensprung bedeuten. Die Chancen stehen nicht schlecht. Anastasiades und sein türkischer Widerpart, Mustafa Akıncı, haben einen guten Draht zueinander. Und Anastasiades konnte bei der Einigung der EU mit Ankara über die Flüchtlingsfrage einen Erfolg verzeichnen: Bei den Beitrittsverhandlungen über den EU-Beitritt der Türkei werden keine Kapitel geöffnet, die die Inselgriechen für die Türken schlossen. Das erhält den Druck auf die Türkei für die Zustimmung zu einer Zypern-Lösung aufrecht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2016)

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