UN-Tribunal: Freispruch für Serbiens Nationalistenführer Seselj

Nationalistenführer Seselj
Nationalistenführer SeseljREUTERS
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Die Anklage wollte ihm Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien nachweisen, doch das UN-Tribunal hatte nicht genug Beweise.

Sein großer Traum - nach dem Zerfall Jugoslawiens  - war die Schaffung "Großserbiens". Doch Kriegsverbrechen konnten dem früheren serbischen Nationalistenführer Vojislav Seselj nicht nachgewiesen werden: Der 61-Jährige wurde heute überraschend vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in allen Anklagepunkten freigesprochen.

Ihm waren Verbrechen gegen die Menschlichkeit in drei Fällen sowie Kriegsverbrechen in sechs Fällen vorgeworfen worden. Er soll die als "ethnische Säuberungen" verharmlosten Pogrome gegen andere Bevölkerungsgruppen beim Aufbau "Großserbiens" propagiert und bei ihrer Umsetzung unterstützt haben. Zehntausende Kroaten und Muslime wurden von den serbischen Nationalisten während der Kriege in Kroatien sowie in Bosnien und Herzegowina vertrieben, tausende getötet.

Der Vorsitzende Richter Jean-Claude Antonetti kündigte die Aufhebung des Haftbefehls gegen Seselj an. "Vojislav Seselj ist jetzt ein freier Mann", sagte er.

"Er ist ein freier Mann"

Wegen seines schlechten Gesundheitszustands war der Haftbefehl schon 2014 außer Kraft gesetzt worden. In kKeinem der neun Anklagepunkte sei eine Verantwortung Seseljs für Verbrechen gegen Kroaten und Muslime erwiesen, urteilte das Gericht ungewöhnlich deutlich. "Mit diesem Freispruch ist Vojislav Seselj ein freier Mann", erklärte der Vorsitzende Richter Jean-Claude Antonetti. Die Anklage hatte 28 Jahre Haft gefordert.

Der 61-jährige Vorsitzende der großserbischen Radikalen Partei hatte sich geweigert, der Urteilsverkündung beizuwohnen. Er war 2014 wegen einer Krebserkrankung vorläufig aus der Haft entlassen worden. Er hatte sich 2003 dem Gericht selbst gestellt.

"Antiserbisches Gericht", aber "professionell"

Seselj hat seinen Freispruch begrüßt. Es handle sich um das "einzig mögliche Urteil", sagte der 61-Jährige am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Belgrad. Ausdrücklich lobte er die Professionalität und die Ehre" der Richter, "die über allen politischen Druck erhaben" seien. Zugleich nutzte Seselj die Gelegenheit auch, um erneut das Gericht zu beschimpfen. Es handle sich um "ein antiserbisches Gericht in der Hand der westlichen Mächte", das "juristisch keinerlei Bedeutung" habe.

Für seine über 12-jährige Untersuchungshaft beim UN-Tribunal habe er bereits jetzt eine Klage auf Haftentschädigung in Höhe von 12 Millionen Euro laufen. Nun werde er möglicherweise zwei Millionen zusätzlich verlangen, so Seselj. "Für all das Leid, das ich ertragen musste."

Trotz aller Verfahren gegen seine serbischen Landsleute in Den Haag bleibe "die Idee von Großserbien machtvoll, mit mir oder ohne mich", sagte der Spitzenkandidat der Serbischen Radikalen Partei (SRS) für die Parlamentswahl am 24. April. Dort werde seine Gruppierung mit bis zu 25 Prozent zur zweitstärksten politischen Kraft aufsteigen, glaubt er.

(Reuters)

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