Verwirrung in Island: Regierungschef tritt doch nicht zurück

Sigmundur Gunnlaugsson bleibt doch im Amt.
Sigmundur Gunnlaugsson bleibt doch im Amt.(c) Bloomberg
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Zuvor war der Rücktritt des Ministerpräsidenten Gunnlaugsson vermeldet worden. Davon ist nun nicht mehr die Rede.

Stockholm/Reykjavík. Nicht zufällig haben einige der mehr als 10.000 Demonstranten vor Islands Parlament mit Bananen geworfen. So wie schon beim Bankrott des Landes nach der Finanzkrise 2008 wollten sie bei den Protesten nach den Enthüllungen der Panama-Papers über ihren Regierungschef mit den Südfrüchten darauf aufmerksam machen, dass die kleine Inselrepublik wieder den Eindruck einer Bananenrepublik vermittelt. Ausgerechnet der bisherige Premier, Sigmundur David Gunnlaugsson, der im Zentrum der Affäre steht, hat in wenigen Jahren Karriere gemacht, weil er für eine strenge Haltung gegenüber ausländischen Gläubigern und gegen die Kapitalflucht aus Island stand. Aus dem Land durfte nach dem Bankrott 2008 kein Geld mehr ins Ausland überwiesen werden. Viele Isländer blieben auf enormen Schulden in ausländischen Währungen und ihrer an Wert gefallenen Isländischen Krone sitzen.

Doch schon 2007 kauften Gunnlaugsson und seine Frau, beide aus reichem Haus, vorsorglich die Scheinfirma Wintris Inc. mithilfe der isländischen Landsbanki von der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Panama. Wintris ist auf den britischen Jungferninseln eingetragen. Als die Wirtschaftskrise Island dann mit voller Wucht erwischte und die drei Großbanken, darunter Landsbanki, bankrottgingen, blieb ihr Geld in der Wintris Inc. unangetastet. Der künftige Premier hatte darüber hinaus sogar eine Gläubigerforderung an Island in Höhe von 3,5 Mio. Euro gestellt – für seine beim Landesbankrott verloren gegangene Werte.

Lügenvorwurf gegen den Präsidenten

Als Gunnlaugsson 2009 ins Parlament einzog, informierte er das Parlament nicht über seine Firma und seine Rolle als Gläubiger. Kurze Zeit später übertrug er seinen Anteil an der Firma an seine Frau. Öffentlich vertrat er eine extrem unnachgiebige Haltung gegenüber allen ausländischen Forderungen an den isländischen Staat. Seine Härte-Kampagne „In Defence“ war so populär, dass er zum Parteiführer der Fortschrittspartei aufstieg und 2013 Premier wurde.

Nach den Enthüllungen über die Panama-Papiere leugnete Gunnlaugsson erst, eine Briefkastenfirma zu besitzen. Das brachte die Isländer auf die Straße. Am Montag schloss der Premier einen Rücktritt noch aus. Am späten Dienstagnachmittag kündigte er dann doch seinen Rücktritt an. Präsident Olafur Grimsson hatte ihm zuvor die Parlamentsauflösung als letztes Druckmittel auf seinen konservativen Koalitionspartner verwehrt. Eine Parlamentsauflösung dürfe nicht als Erpressungswaffe für den persönlichen Amtserhalt gegen den Koalitionspartner missbraucht werden, schimpfte Grimsson. Der Premier nannte den Staatschef daraufhin gar einen Lügner. Er habe keine Genehmigung zur Parlamentsauflösung gefordert.

Nachfolger von Gunnlaugsson wird voraussichtlich sein Parteikollege, der Fischerei- und Landwirtschaftsminister Sigurdur Ingi Johannson. Gunnlaugsson selbst will der Partei zumindest als Vorsitzender erhalten bleiben, sagte er am Dienstagnachmittag und verschickte wenig später eine Mitteilung per E-Mail an ausländische Medien, in dem er behauptet, er sei nicht zurückgetreten, sondern nur „für unbestimmte Zeit“ zur Seite getreten. Als „völlig absurd“ wurde das in einem Kommentar des isländischen Rundfunks RUV am Mittwoch bezeichnet.

„Regierung überlebt nicht lang“

In dem kleinen Land, in dem eine Hand die andere wäscht, ist Kompetenz nicht immer das wichtigste Kriterium in der Politik. So kam es auch zu gravierenden Fehlentscheidungen in der Wirtschaftskrise. Heute regieren die gleichen Parteien, die damals für die Krise verantwortlich waren. Aber mit Island geht es dank der Fischerei und des Tourismus wirtschaftlich wieder steil bergauf.

Inwieweit die nun in Misskredit gebrachte liberalkonservative Regierung weitermachen kann, bleibt fraglich. „Ich glaube nicht, dass diese Regierung lang überleben wird, trotz des Rücktritts“, sagt die Politologin Gunnhildur Magnusdottir. Sie betont, dass auch der Chef der Konservativen, Finanzminister Bjarni Benediktsson, und eine weitere Ministerin seiner Partei in den Panama-Papieren mit Scheinfirmen auftauchen. Die nächsten regulären Parlamentswahlen finden im Mai 2017 statt.

(APA/dpa/AFP)

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