Nachspiel eines Besuchs in Moskau

Generalstabschef Othmar Commenda fühlt sich von den Russen hintergangnen.
Generalstabschef Othmar Commenda fühlt sich von den Russen hintergangnen. APA/ERWIN SCHERIAU
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Einem Tonmitschnitt zufolge distanzierte sich Österreichs Generalstabschef in Moskau deutlich von den EU-Sanktionen. Commenda fühlt sich von seinen Gastgebern hintergangen.

Wien/Moskau. Die russische Armeespitze hatte es vor einer Woche in Moskau mit einem ausgesucht höflichen Gast zu tun. Österreichs Generalstabschef Othmar Commenda, der Bundespräsident Heinz Fischer begleitete, schlug in seinem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen, Walerij Gerassimow, ziemlich freundschaftliche Töne an. Das geht aus einem Tonbandmitschnitt hervor, den die russische Nachrichtenagentur Tass der „Presse“ zur Verfügung gestellt hat.

„Russland ist einmal Österreich viel näher als viele andere große Länder dieser Welt“, sagte demnach Commenda. Daher sei Österreich bereit, „im Bereich unserer Möglichkeiten, dort zusammenzuarbeiten, wo es einfach sinnvoll ist“. Leider sei es zuletzt nicht mehr möglich gewesen, den russischen Generalstabschef nach Österreich einzuladen. „Wir haben hier noch eine Bringschuld.“

„Diktat anderer“

Tatsächlich würden Republik und Bundesheer eine gemeinsame europäische Linie unterlaufen, wenn sie Gerassimow empfingen. Denn die EU hat den russischen Vizeverteidigungsminister im April 2014 nach der Annexion der ukrainischen Krim mit einem Einreiseverbot belegt. Von diesen Sanktionen hält Commenda offenbar wenig, wie er in Moskau zu erkennen gegeben hat. „Ich wollte schon auch ein Zeichen setzen – wie viele andere auch –, dass wir nicht bereit sind, das Diktat anderer auf uns nehmen zu müssen, mit wem wir verkehren dürfen und mit wem nicht. Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, mit wem ich reden möchte und nicht. Das war der Grund, warum ich gesagt habe: ,Ich möchte unbedingt Sie besuchen‘“, bemerkte er im Moskauer Verteidigungsministerium zu Gerassimow.

Commenda war nicht bewusst, dass russische Journalisten zumindest Teile des Gesprächs in einem Nebenraum mitverfolgten. Die Agentur Tass berichtete umgehend und versah ihre Meldung mit dem Titel „Österreichisches Militär bereit, mit Russland zu kooperieren“. Die Kreml-nahe Onlineplattform Sputnik-News übernahm die Nachricht, die bald auch Eingang in die österreichische Nachrichtenagentur APA fand.

Gespräche "in vertraulichem Umfeld"

Am Donnerstag sah sich Commenda veranlasst, die Behauptungen in einer Aussendung richtigzustellen, und widersprach den „Inhalten, die auf Onlineplattformen veröffentlicht wurden“. Er, Commenda, habe diese Aussagen nicht getätigt. Die Gespräche hätten in einem vertraulichen Umfeld ohne Medien stattgefunden. Der österreichische Generalstabschef habe keine Interviews gegeben.

Zumindest Letzteres trifft zu, wie Ilja Nowikow, Sprecher von Tass, der „Presse“ erklärt. Ein Interview sei nicht geführt worden. Doch entspricht auch der Rest des Dementis den Tatsachen? Der Tonmitschnitt legt nahe, dass die Tass den österreichischen Generalstabschef korrekt zitiert hat. Der protokollarische Gesprächsauftakt sei, so Tass-Sprecher Nowikow, von einem TV-Sender live in einem Nebenraum übertragen worden, wo sich Journalisten versammelt hätten.

"Habe das so nicht gesagt"

Commenda beteuert gegenüber der „Presse“, „in Moskau hereingelegt“ worden zu sein. „Ich habe das so nicht gesagt“, erklärte er. Beispielsweise habe er explizit erwähnt, dass Russland Österreich „geografisch“ näher liege. Außerdem sei er erst am Ende des Treffens darauf zu sprechen gekommen, nicht schon am Anfang. Das Band sei manipuliert, Sequenzen seien nachträglich zusammengefügt worden, behauptet Commenda. Gerassimow habe die Unterredung mit langen Ausführungen über die russische Militärintervention in Syrien begonnen.

Dem Mitschnitt zufolge, welcher der „Presse“ vorliegt, fängt der russische Generalstabschef freilich mit der Begrüßung an, worauf Commenda mit den zitierten Ausführungen antwortet. Die Abfolge erscheint schlüssig, eine Manipulation ist nicht erkennbar.

Botschaft in Wien schweigt

Was Commenda am meisten ärgert: Er habe weder Kameras noch Journalisten zu Gesicht bekommen, ein vertrauliches Gespräch sei heimlich mitgeschnitten worden. Der russische Botschafter in Wien habe sich dafür bei ihm entschuldigt. Der knappe Kommentar der russischen Botschaft auf Anfrage der „Presse“: „Wir wollen die ganze Situation nicht kommentieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2016)

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