Merkel ermöglicht Strafverfolgung von Böhmermann

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Die Bundesregierung macht nach dem türkischen Ansuchen den Weg für ein Verfahren gegen den Satiriker frei. Der Paragraf der Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter soll aber abgeschafft werden.

Die deutsche Bundesregierung wird die Strafverfolgung des TV-Satirikers Jan Böhmermann ermöglichen. Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Pressekonferenz am Freitagnachmittag. Im Rechtsstaat seien Rechte wie Kunst-, Freiheits- und Meinungsfreiheit unabdingbar - die Justiz sei aber unabhängig, in ihr sei garantiert, dass die Verfahrensrechte gewahrt werden. Es sei daher nicht Sache der Regierung, sondern der Justiz, über den Fall zu urteilen. Es handle sich nicht, wie Merkel festhielt, um eine Vorverurteilung oder eine Definition von Grenzen der Kunst- und Meinungsfreiheit. Sondern um eine Freigabe, dass die Justiz sich der Sache annehme. Gleichzeitig gab Merkel aber auch bekannt, dass der Paragraf 103 des Strafgesetzbuches (StGB), in dem die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter geregelt ist, abgeschafft werden soll, weil er nicht mehr zeitgemäß sei.

Merkel sagte auch, dass es innerhalb der Koalition unterschiedliche Meinungen zu dem Fall gegeben habe. Dem Vernehmen nach sei vor allem aus dem Außenministerium von Frank-Walter Steinmeier (SPD) Skepsis gekommen, ob Strafrecht der richtige Weg sei. Auch Justizminister Heiko Maas sei dagegen gewesen. Das CDU-geführte Bundeskanzleramt von Angela Merkel hingegen sei von Anfang an auf der Linie gewesen, den Fall der Justiz zu übergeben, die dann darüber entscheiden solle.

Kalmierungsversuch ohne Ergebnis

In seiner satirischen Sendung "Neo Magazin Royale" hatte Böhmermann ein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan vorgetragen, in dem er ihm unter anderem Geschlechtsverkehr mit Ziegen unterstellte und ihn etwa auch als "Recep Fritzl Priklopil" bezeichnete. In der Türkei sorgte das Gedicht für große Empörung. Zunächst hatte Kanzlerin Merkel noch in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu zu kalmieren versucht, indem sie das Gedicht als "bewusst verletzend" bezeichnete.

Doch wenige Tage später brachte der türkische Botschafter in einer Verbalnote das Verlangen vor, dass Böhmermann strafrechtlich verfolgt werden soll. Grundlage dafür ist der Paragraf 103 des deutschen Strafgesetzbuchs (StGB), in dem die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter geregelt ist - ein juristischer Nachfahre der Majestätsbeleidigung, den die Bundesregierung nun abschaffen möchte. Als Höchststrafe sind drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe vorgesehen, bei Verleumdung sogar fünf Jahre. Für ein Verfahren ist laut dem Paragrafen 104 StGB neben dem förmlichen Verlangen aus dem Ausland auch eine Ermächtigung der Bundesregierung nötig.

Weitere Anzeige von Erdoğan

Unabhängig davon hat Erdoğan über seinen deutschen Anwalt bereits Anzeige wegen des Paragrafen 185 StGB erstattet. Darin ist die normale Beleidigung geregelt, eine Ermächtigung der Bundesregierung ist dafür nicht nötig. Diese Doppelstrategie war als Absicherung gedacht, sodass in jedem Fall ein Verfahren gegen Böhmermann möglich ist, ganz unabhängig von der Entscheidung der Bundesregierung. Die inhaltlichen Fragen, die sich bei einem allfälligen Prozess stellen, sind aber die gleichen: Waren Böhmermanns Äußerungen unter der Gürtellinie eine Beleidigung oder fallen sie wegen des Gesamtzusammenhangs - Böhmermann hatte ja explizit erklärt, dass Satire genau das nicht dürfte - unter die Freiheit der Kunst.

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