Berlusconi: „Warte auf mich im großen Bett“

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Fröhliche Nächte beim Regierungschef: Im Internet kann ganz Italien jetzt nachhören, was sein skandalgeschüttelter Premier und eine bezahlte Dame einander zuflüsterten. Die nahm die Gespräche nämlich auf.

Rom. Patrizia D'Addario dürfte derzeit die bekannteste Blondine Italiens sein. Das mit der Haarfarbe ist zwar so eine Sache. Aber dass zumindest stimmt, was die 42-Jährige aus Bari über diverse nächtliche „Orgien“ im Palazzo von Silvio Berlusconi erzählt hat, hält man in Italien nunmehr für bewiesen. Die Zeitschrift „l'espresso“ hat Tonbandaufzeichnungen ins Internet gestellt, die D'Addario am Ort des Geschehens heimlich angefertigt hat: „Ich dusch' mich jetzt noch“, lässt sich Italiens Premier darin vernehmen, „und du wartest auf mich im großen Bett, ja?“ – „In dem, das Putin dir geschenkt hat?“, fragt D'Addario zurück. „Genau, das von Putin“, bestätigt Berlusconi. D'Addario: „Ach, wie hübsch. Mit Vorhängen!“

Dann bricht die Aufzeichnung ab. Vielleicht auch nur die Veröffentlichung, Genaues weiß nur die Staatsanwaltschaft, aus deren Beständen die Bänder offenbar kommen. Abgespielt hat sich der Dialog angeblich in der Nacht des 4. November 2008. Ausgerechnet in der Nacht, empört sich so mancher Kommentator, in der Barack Obama zum US-Präsidenten gewählt wird und eine Weltwende heraufzieht, vergnügt sich Italiens Regierungschef mit leichten Mädchen! Und er bestellt, wie aus einer weiteren Aufzeichnung hervorgeht, auch gleich noch neue.

Keine Freude mehr an Luxusvilla

Nur ein paar Wochen hat der Burgfriede gehalten. Staatspräsident Giorgio Napolitano hatte ihn gefordert, damit das Land vor den Großen der Welt, beim G8-Gipfel in L'Aquila, eine gute Figur machte. Danach hatte Berlusconi noch zehn Tage Ruhe, denn selbst die Tageszeitung „La Repubblica“, die schärfste, ja fanatische Gegnerin des Regierungschefs in diesen Wochen, musste einräumen, dass der Gipfel perfekt organisiert war. Die Zeitung rühmte – sogar auf der ersten Seite – den „verdienten Erfolg eines geschickten, großzügigen Gastgebers“, Berlusconi sonnte sich in weltweitem Glanze.

In Feierlaune kündigte Berlusconi sogar an, die Ferien in L'Aquila zu verbringen, „um den Wiederaufbau nach dem Erdbeben persönlich zu überwachen“. Und er ging noch weiter: Seine auf 200 Millionen Euro geschätzte „Villa Certosa“ auf Sardinien wolle er verkaufen, sagte er. Nachdem ein Paparazzo die freizügigen Partys dort und die kaum bekleideten jungen Mädchen abgelichtet hatte, war für Berlusconi der „Zauber des Ortes verletzt“: „Es ist, als seien Räuber eingedrungen.“

Ausgerechnet die „Repubblica“ schreibt dann auch noch unter Berufung auf „Vertraute Berlusconis“: Der Regierungschef habe gesagt, er wolle „sein Leben ändern“ und im September eine Wallfahrt zum Wunderheiligen Padre Pio unternehmen, dem populärsten Volksheiligen der Italiener. Außer der „Repubblica“ aber hat offenbar niemand davon gewusst, und vorerst – auch wenn Berlusconi diesen Sommer auffälligerweise erst einen Tag auf Sardinien zugebracht hat – ist alles beim Alten.

Könnte sein, dass die Partys bei Berlusconi ihren Glanz verloren haben: sei es, dass junge Mädchen, die sich von der Einladung etwas für ihr Fortkommen in Politik oder Fernsehen versprochen haben, nun die Veröffentlichung ihrer Namen und ihrer Fotos befürchten; sei es, dass das Partyprogramm nicht so recht überzeugt hat.

Juwelen gegen Applaus

Wie Patrizia D'Addario und andere „Models“ berichten, mussten sie im römischen Palast des Regierungschefs lange Videos ansehen, die Berlusconi im Kreis der Mächtigen dieser Welt zeigen; sie mussten dazu laut klatschen und jubeln – andererseits wurden sie mit Schmuck großzügig beschenkt. Am liebsten hatte Berlusconi angeblich Schmetterlingsmotive. Könnte aber auch sein, dass die Tonbandprotokolle deshalb noch schnell an die Öffentlichkeit gespielt wurden, weil Berlusconi Staatsanwälten und Journalisten mit einer Gesetzesänderung einen Maulkorb umhängen will. Künftig sollen Berichte aus laufenden Ermittlungsverfahren zum größten Teil verboten sein. Das trifft nicht zuletzt den in Italiens Zeitungen so beliebten, seitenlangen Nachdruck von Telefon-Abhörprotokollen. Für die Betroffenen – darunter auch unschuldige Randfiguren – ist das meist ziemlich peinlich.

Berlusconis Anwalt Nicolo Ghedini bestritt übrigens postwendend die Echtheit der von l'espresso veröffentlichten Tonbandaufnahmen und drohte nach Berichten italienischer Medien vom Dienstag mit juristischer Härte „gegen jeden, der dieses Material benutzt“. Leitartikel Seite 27

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.07.2009)

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