"Zypern will, dass die Türkei Teil der EU wird"

Alexis Galanos wirft Ankara vor, Nordzypern annektieren zu wollen.
Alexis Galanos wirft Ankara vor, Nordzypern annektieren zu wollen.(c) Stanislav Jenis
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Für den zypriotischen Politiker Alexis Galanos gilt: Jetzt oder nie. Auch wenn die Verhandlungen mit den Türken stocken.

Die Presse: Bis vor Kurzem waren die Nachrichten aus der geteilten Insel Zypern hoffnungsvoll. Noch nie war man einer Lösung so nah wie jetzt . . .

Alexis Galanos: Mustafa Akıncı und Nikos Anastasiades sind eine gute Kombination (Präsidenten des türkischen und griechischen Teils Zyperns, Anm.). Da stimmt die Chemie und beide glauben an eine Föderation. Sie reden nicht gegeneinander, wie es früher oft der Fall war. Akıncı sieht die Vorteile der Europäischen Gemeinschaft. Er sieht auch, dass er Kompromisse etwa in der Territorial- oder Eigentumsfrage eingehen muss. Das ist die gute Nachricht.

Die Flüchtlingskrise und der EU-Türkei-Deal haben sich auf die zypriotischen Friedensverhandlungen ausgewirkt. Orten Sie eine ernsthafte Gefahr für die Gespräche?

Die Türkei hat momentan aufgrund der Flüchtlinge eine mächtige Ausgangsposition, sodass sie Zypern außer Acht lassen. Es gab von türkischer Seite keine Bewegung, was die Truppen auf Zypern betrifft. Gleichzeitig bringt Ankara Wasser und Elektrizität aus der Türkei, investiert weiterhin im Norden. Wir sehen einen konkreten Plan für eine Annexion, damit der Norden Teil der Türkei wird.

Welche Rolle nimmt Zypern nun bei den Beitrittsverhandlungen der Türkei ein?

Ich möchte klar sagen: Zypern will mehr als jedes andere Land, dass die Türkei Teil der EU wird. Für uns wird sich dadurch die Sicherheit erhöhen, die Beziehungen zu Ankara werden sich verbessern. Europa hingegen hat oft die Zypern-Frage als Entschuldigung vorgeschoben, aber Zypern ist nicht das Handicap für die Türkei. Brüssel kann Ankara jetzt schon viele Vorteile geben, aber sie kommen nicht zum Punkt. Ich glaube nicht, dass Deutschland die Türkei als bevölkerungsreichstes Land in der EU akzeptieren würde. Andere haben auch ihre Gründe, keine Lösung zu wünschen: Politische und ökonomische Karrieren sind davon abhängig.

Im Mai finden in der Republik Zypern Wahlen statt. Wie kann sich das auswirken?

Wir müssen schnell sein, bisher hat uns jede Wahl von einer Lösung weggebracht. In den nächsten Monaten werden wir aber trotz allem schnelle Bewegungen Richtung Lösung sehen. Viele Menschen sind nach so vielen Jahren müde. Die Lage ist: Jetzt oder nie.

Zuletzt hat die Suche nach Erdgas die Gespräche belastet, weil die Republik Zypern und die Türkei für Nordzypern autonom gesucht haben. Nordzypern hat vorgeschlagen, dass die griechische Seite mit der Suche aufhört, solange die Gespräche laufen . . .

Die Position der Republik Zypern ist klar: Wie viel Erdgas auch gefunden wird, wie viel Wohlstand auch kommen mag, es wird zwischen beiden Seiten geteilt. Die Türkei aber benutzt die Erdgas-Frage, um Dominanz auf Zypern zu zeigen und ignoriert die Souveränitätsrechte.

Das Wasser aus der Türkei für Nordzypern hat Ankara aber auch für beide Seiten angeboten.

Ja, aber dadurch wird die Abhängigkeit von der Türkei steigen.

Nordzypern wird von keinem Staat der Welt, außer der Türkei, anerkannt. Wenn Ankara nicht hilft, dann gibt es für die Menschen dort gar nichts.

Ich weiß, dass die Türkei Nordzypern helfen muss. Wir haben aber die Vision, dass ganz Zypern Teil der EU ist. Es gibt drei Schritte für die Lösung: die Einhaltung der Menschenrechte; alle Truppen müssen weg; beide Seiten gründen gemeinsam Institutionen, um etwa Korruption zu bekämpfen.

ZUR PERSON

Alexis Galanos ist der griechisch-zypriotische Exil-Bürgermeister von Famagusta, das im türkischen Teil der Insel liegt. Die Stadt hat auch einen türkisch-zypriotischen Bürgermeister, Ismail Arter. Galanos ist Präsident der Bürgermeisterkonferenz in der Republik Zypern und war in der Vergangenheit Parlamentspräsident.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2016)

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