Peking stellt Ausland-NGOs unter Stasi-Kontrolle

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CHINA-NZEALAND-DIPLOMACY(c) APA/AFP/FRED DUFOUR (FRED DUFOUR)
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Mit einem neuen Gesetz nimmt die KP-Führung Auslandsorganisationen an die kurze Leine und unterstellt ihre Aufsicht der Staatssicherheit. NGOs sollen künftig auch für ihr Engagement außerhalb Chinas belangt werden können.

Peking. Bei einem informellen Treffen ausländischer Stiftungen vor wenigen Wochen zeigten sich die meisten Teilnehmer noch zuversichtlich, dass es mit Chinas neuem NGO-Gesetz nicht so schlimm kommen werde. Viele der anwesenden Organisationen waren immerhin schon Jahrzehnte in China aktiv und fester Bestandteil der interkulturellen Zusammenarbeit. Mehrfach versicherten ihnen chinesische Regierungsvertreter, dass ihre Arbeit geschätzt werde. Nun werden die schlimmsten Befürchtungen wahr.

Der Ständige Ausschuss des Volkskongresses hat am Donnerstag einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der die Arbeit der rund 7000 ausländischen Nichtregierungsorganisationen (NGO) in China massiv einschränkt. Das Gesetz sieht vor, dass die NGO künftig der Aufsicht des Ministeriums für Staatssicherheit unterstellt sind und nicht wie bislang dem Ministerium für zivile Angelegenheiten. Sämtliche Organisationen müssen sich neu registrieren und einer Prüfung unterziehen lassen. Wer sich nicht daran hält, macht sich strafbar. Zudem müssen die NGOs künftig all ihre Finanzen und Kooperationen mit chinesischen Gruppen gegenüber den Polizeibehörden offenlegen.

„Zivilgesellschaft abwürgen“

Das Gesetz sieht explizit vor, dass Polizisten Mitglieder der Organisationen zu sogenannten Interviews vorladen dürfen – eine Umschreibung für Verhöre. Diese Befugnis hatte das bislang zuständige Ministerium für zivile Angelegenheiten nicht. Der chinesische Sicherheitsapparat ist für sein oft sehr ruppiges und häufig willkürliches Vorgehen bekannt.

China wolle damit Aktivitäten verhindern, die gegen „nationale Interessen“ verstoßen oder „die Staatsgewalt untergraben“, heißt die offizielle Begründung. Ein Sprecher des zuständigen Ausschusses sagte, China schaffe mehr Rechtsstaatlichkeit. Deswegen müssten sich alle an Gesetze halten– auch Ausländer. „Das abschreckende neue Gesetz ist ein aggressiver Versuch, die Zivilgesellschaft abzuwürgen“, kritisierte hingegen William Nee von Amnesty International. Er sprach von einer „unmittelbaren Gefährdung sämtlicher unabhängiger Organisationen“.

Das neue Gesetz, das bereits Anfang 2017 in Kraft treten soll, richtet sich jedoch nicht nur gegen Menschenrechtler. Auch Denkfabriken, Forschungsinstitute namhafter britischer und US-amerikanischer Universitäten sowie Wohltätigkeitsorganisationen, wie die Bill Gates-Foundation, sollen sich künftig Polizeikontrollen unterziehen, wollen sie in China aktiv sein. Aus Deutschland sind Parteistiftungen betroffen: Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung sucht zuweilen den Austausch mit Kirchen in China, die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt Organisationen, die sich für den Umweltschutz engagieren. All diese Projekte sind jetzt gefährdet.

Kritik westlicher Regierungen

Mehrere westliche Staatschefs, unter anderem US-Präsident Barack Obama, hatten vor der Einführung des Gesetzes gewarnt. China sei dabei, Kooperationen der beiden Länder aufs Spiel zu setzen, heißt es in Stellungnahmen mehrerer EU-Botschafter.

Was das neue Gesetz zusätzlich heikel macht: Internationale Organisationen sollen nicht nur für Aktivitäten innerhalb Chinas belangt werden können, sondern auch für ihr Engagement im Ausland. Wenn etwa Greenpeace in China selbst nur Umweltberatung betreibt, kann es sein, dass die chinesischen Mitarbeiter für spektakuläre Greenpeace-Aktionen im Ausland künftig trotzdem büßen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2016)

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