Belgien: Keine Ressourcen zu Überwachung von Terrorist Abdeslam

Soldaten in Maalbek, Brüssel
Soldaten in Maalbek, BrüsselAPA/AFP/JOHN THYS
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Ein vertraulicher Bericht eines Komitees zur Kontrolle der Behörden an das Parlament konstatiert schwerstes Versagen von Polizei, Geheimdiensten und Staat beim Thema Terrorbekämpfung.

Von schweren Untersuchungsmängeln der Antiterror-Behörden in Belgien gegen den nun nach Frankreich überstellten Terroristen Salah Abdeslam und seinen Bruder Brahim Ermittler berichten belgische Medien unter Berufung auf einen vertraulichen Prüfbericht, der ein vernichtendes Urteil über die Arbeit der Polizei fällt. So sollen die Belgier schon seit Mitte 2014 Hinweise auf die Radikalisierung der Brüder gehabt haben. Es sei etwa ein USB-Stick, der Abdeslam gehörte und Kontakte zu anderen Terrorverdächtigen enthielt, nie analysiert worden. Bereits im Februar 2015 sei der USB-Stick aber schon sichergestellt worden.

Es heißt sogar, dasss die belgischen Behörden schon Mitte 2014 Indizien gefunden hätten, dass die Abdeslams einen nicht näher definierten "unumkehrbaren Akt" planten.

Außerdem sei ein Mobiltelefon, das Abdeslam gehörte, von den Ermittlern verlegt worden, berichteten der flämische Sender VTM und die Zeitung "DH". Schließlich seien zwei weitere Handys Abdeslams nicht untersucht worden, obwohl die Staatsanwaltschaft verlangte, die darauf befindlichen Anrufe zu verfolgen.

Salah Abdeslam auf einem Zeugenaufrufplakat der belgischen Nationalpolizeikat
Salah Abdeslam auf einem Zeugenaufrufplakat der belgischen Nationalpolizeikat REUTERS

Der geheime Bericht des "Comité P", eines Organs zur Kontrolle der Polizei, war am Dienstag dem Parlament übermittelt worden und "tröpfelt" seitdem in die Öffentlichkeit. Die Abdeslams waren unter den Attentätern, die im November 2015 in Paris 130 Menschen ermordeten. Brahim sprengte sich in einem Café, Salah aber floh nach Belgien und tauchte monatelang unter. Im März wurde er im berüchtigten Brüsseler Problembezirk Molenbeek festgenommen.

Polizei hatte keine Resourcen zur Überwachung

Schon im Jänner 2015 sollen die Ermittler von Plänen der Brüder erfahren haben, nach Syrien zu reisen. Die Polizei in Molenbeek habe darauf die beiden befragt, aber wieder freigelassen. Später hieß es mehrfach, man habe seitens der Polizei einfach keine Resourcen, um die Brüder zu überwachen. Überhaupt wird Belgiens Behörden vorgeworfen, jahrelang zugesehen zu haben, wie sich Gegenden wie Molenbeek zu islamistischen und kriminellen Sümpfen entwickelten. Das viermonatige Untertauchen von Salah Abdeslam in Molenbeek nach den Pariser Attentaten sei eine der Folge der staatlichen Inkompetenz, aber auch des - teils politisch korrekt motivierten - Wegsehens.

Im Übrigen konstatiert das "Comité P" grundsätzliches Staatsversagen aufgrund struktrureller Probleme: Man habe seit langem zu wenig in Sicherheit investiert, zudem erleichtere das Faktum, dass es in Brüssel in Wahrheit 19 lokale Bürgermeister und sechs Polizeibehörden gibt, Kriminellen das Handwerk.

Unterdessen geht die französische Staatsanwaltschaft wegen Beteiligung an terroristischen Taten und Mord gegen den mutmaßlichen Islamisten Abdeslam vor. Dem 26-Jährigen wird die Beteiligung an den Pariser Attentaten vom 13. November mit 130 Todesopfern vorgeworfen.

Er hat sich aus Sicht der Ermittler einer terroristischen Vereinigung angeschlossen, wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch in Paris mitteilte. Abdeslam wurde nach einem Termin vor dem Ermittlungsrichter inhaftiert. Ob er auch an der Vorbereitung der Brüsseler Anschläge vom März beteiligt war, ist unklar. Er war am Mittwoch in der Früh von Belgien an Frankreich ausgeliefert worden. Nach Angaben seines Anwalts, Frank Berton, wurde er in Fleury-Mérogis südlich von Paris eingesperrt.

(apa/red.)

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