Die Geburtswehen des AfD-Programms

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Die FPÖ sendet Grüße zum Parteitag der AfD in Stuttgart - und wird dort als Beispiel präsentiert, wie schnell sich Mehrheiten ändern können. Inhaltlich dominieren vor allem die Themen Islam, Zuwanderung und Euro.

Von einem Parteitag kann die Erinnerung an eine historische Stunde bleiben. Oder an lange Stunden. Beim Bundesparteitag der AfD in der Stuttgarter Messe scheint zu Beginn für viele der mehr als 2000 Beteiligten eher Variante zwei infrage zu kommen. Denn die Veranstaltung, bei der man sich ein Parteiprogramm geben will, ist zunächst vor allem eine Wanderung durch die Mühen der demokratischen Entscheidungsfindung. Inklusive Abstimmungen, ob über einen Antrag statt mit Antwortkarten elektronisch abgestimmt werden soll. Harte Worte und knackige Zitate finden sich zu Beginn nur spärlich. Ein anstrengender, zeitweise langwieriger Prozess – aber auch etwas, das die Parteigranden als gewünscht bezeichnen. „Wir sind ja keine CDU-Duracell-Klatschhäschen“, sagt Ko-Parteivorsitzender Jörg Meuthen mit Blick auf Parteitage der politischen Mitbewerber. „Wir pflegen den aufrechten, offenen und ehrlichen demokratischen Diskurs.“


Petry in Rot-Grün. Ohne das nötige Pathos geht es auch bei der AfD nicht. Wenn Meuthen etwa auf SPD-Justizminister Heiko Maas anspielt, der das AfD-Programm als „Fahrplan in ein anderes Deutschland“ bezeichnet hat. „Wo der Mann recht hat, hat er recht. Weg vom links-rot-grün-verseuchten 68er-Deutschland, von dem wir die Nase voll haben.“ Der Applaus und das Johlen im Saal geben ihm recht. Rot-grün, das ideologische Feindbild der jungen Partei, ist aber auch in unerwarteter Form auf dem Parteitag präsent. Parteivorsitzende Frauke Petry tritt mit rotem Rock und grünem Blazer auf. Ein Signal sei das, meint sie, dass diese parteipolitisch belegten Farben in Zukunft nicht mehr so wichtig seien. „Wir als Blaue sollten diese Farben einnehmen und wieder ihrer wahren Bedeutung zuführen.“

Und Kleidung spielt auch im weiteren Verlauf ihrer Rede eine Rolle. Wenn sie etwa Angela Merkel in die Märchenwelt von „des Kaisers neue Kleider“ verpflanzt. Und danach fragt, wann „das mutige Kind“ auftaucht, das ausspricht, „dass die Kanzlerin der Alternativlosigkeit einfach nur nackt ist“. Nur passiere das einfach nicht. Daher brauche es eine mutige Partei, und „das sind wir“. Es sind altbekannte Positionen in einer wenig überraschenden Rede der Vorsitzenden, inklusive der Einnahme der Opferrolle.

Dass der Partei etwa immer wieder ein Rechtsruck vorgeworfen werde, könne sie nicht mehr hören. „Es fühlt sich an, als wären wir schon mehrfach rechts um den politischen Globus gekreist und längst am linken Ende angekommen.“ Auch von den Medien fühlt sich sich oft unfair behandelt. Man könne Beziehungen verbessern. Wenn es noch nicht gut gelaufen sei, „lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass es besser wird“. Um kurz danach noch einen Hinweis auf die Bundespräsidentenwahl in Österreich anzubringen, die auch als Drohung verstanden werden kann: „Im Übrigen können sich Mehrheiten schnell ändern.“


Gruß von Strache und Hofer. Der Erfolg der FPÖ wird auch immer wieder als Vergleich herangezogen. Konsequenterweise kommt auch eine Grußbotschaft aus Österreich. Verlesen von Marcus Pretzell, Landesvorsitzender der AfD Nordrhein-Westfalen und Lebensgefährte von Frauke Petry: „Aus den bekannt gewordenen Inhalten glauben wir, Schnittmengen zu finden“, zitiert er aus einem Brief, der von FP-Chef Strache, dem EU-Abgeordneten Harald Vilimsky und dem Dritten Nationalratspräsidenten, Norbert Hofer, unterzeichnet ist. Hofer, der „zukünftige Bundespräsident“, wie ihn Pretzell vorstellt. Die FPÖ-Politiker betonen die Parallelen, sei es bei den Erfolgen, sei es bei der „Diffamierung durch politische Gegner und manche Medien“. „Wie Sie den Angriffen trotzen, sehen wir mit großem Respekt und Bewunderung.“

Der ehemalige tschechische Präsident, Vaclav Klaus, der sich schon öfter als Fan der AfD geoutet hat, ermuntert als Gastredner die Partei, ihre Positionen nicht aufzuweichen – das wäre, so Klaus, „ein tragischer Fehler“. Die Hauptkritiker könne man ohnehin nicht auf die eigene Seite bewegen. Und er rät der Partei, den Weg aus der „hoffnungslosen Sackgasse der europäischen Entwicklung“ zu weisen.

Ein Weg, den man bereits in Form eines Leitantrags für den Parteitag vorbereitet hat. Gegen den Islam, gegen Massenzuwanderung, gegen den Euro, das sind die Themen, die schon vorher öffentlich diskutiert worden sind. Bei der Veranstaltung geht es nun darum, ob der Leitantrag so durchgewinkt wird oder ob er noch verändert wird – immerhin kommen auf 80 Seiten Entwurf rund 1400 Seiten mit Änderungsanträgen. Bei der Abstimmung, in welcher Reihenfolge die einzelnen Themen bearbeitet werden, gibt es am späten Nachmittag keine Überraschungen. „Kultur, Sprache, Integration“, also der Themenblock mit dem Islam, „Einwanderung“ und schließlich „Euro und Europa“ landen ganz vorn.


Türkei nicht in die EU. Als erster Antrag wird gleich eine Verschärfung angenommen: Die Ablehnung des EU-Beitritts der Türkei soll als Bedingung in Koalitionsverhandlungen im Parteiprogramm festgeschrieben werden. Abgelehnt wird dagegen ein Antrag, dass die Option eines EU-Austritts in das Programm aufgenommen werden soll, so sie sich in den Augen der Partei als nicht reformierbar erweisen sollte. Es sind oft nur kleine Änderungen, über die aber zum Teil heftig gestritten wird – inklusive Anträgen, dass man endlich zur Sache kommen solle. Und immer wieder Zurechtweisungen vom Vorsitz, dass manche Frage oder Wortmeldung nicht Teil der Geschäftsordnung seien.

Die AfD zeigt bei diesem Parteitag kein böses Gesicht, wie das manche erwarten würden. Man bemüht sich, zu differenzieren – und verliert sich oft in kleinen Details und der Verfahrensordnung. Eine Veranstaltung wie diese zeigt vor allem, dass der Anspruch, eine Politik mit direkter Beteiligung zu machen, oft einfach nur langwierig und anstrengend ist.

Dass der Parteitag dennoch polarisiert, liegt auf der Hand. Einige hundert linksautonome Demonstranten versuchen in der Früh, AfD-Mitgliedern den Weg zum Gelände zu versperren. Autoreifen werden in Brand gesetzt, Feuerwerkskörper geworfen. Mehr als tausend Polizisten sind rund um das Messegelände im Einsatz. Sie haben rund 500 Menschen wegen gewalttätigen Aktionen in Gewahrsam genommen. Es sind auch die Proteste gegen den Parteitag, die für Verzögerungen sorgen. Statt um zehn Uhr kann erst gegen elf Uhr mit der Tagesordnung begonnen werden, weil zum geplanten Beginn viele akkreditierte Mitglieder noch gar nicht im Saal angekommen sind. Abänderungsanträge aus insgesamt 13 Kapiteln sollen am Ende besprochen und beschlossen worden sein. Der AfD-Parteitag wird heute, Sonntag, fortgesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.05.2016)

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