Türkei: Davutoglu kündigt Rückzug an

Präsident Erdogan (li.) und Ministerpräsident Davutoglu (re.) streiten um Kompetenzen.
Präsident Erdogan (li.) und Ministerpräsident Davutoglu (re.) streiten um Kompetenzen.REUTERS
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Die AKP plant einen Sonderparteitag. Regierungschef Davutgolu wird nicht mehr als Partei-Chef kandidieren und damit wohl auch sein Amt verlieren. Die Opposition befürchtet eine Ausweitung der Macht des Präsidenten.

Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat im Machtkampf mit Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag seinen Rückzug angekündigt. Er werde auf einem Sonderparteitag seiner Regierungspartei AKP am 22. Mai nicht erneut für den Parteivorsitz kandidieren, wenn es keine interne Übereinkunft über sein Antreten gebe, sagte Davutoglu bei einer Rede in Ankara.

Laut Parteisatzung verlöre er damit auch das Amt des Regierungschefs. Seinen Einsatz in der Partei werde er als Abgeordneter im türkischen Parlament fortsetzen, sagte Davutoglu weiter. Er rief die Partei zur Einheit auf. Persönlich werde er nie das Wort gegen Erdogan erheben und er sei über sein Abtreten nicht verbittert, betonte der 57-Jährige.

Lira stürzt ab

Am Mittwochabend hatte es ein Treffen Davutoglus mit Erdogan im Präsidentenpalast gegeben. Über die Inhalte des mehr als eineinhalbstündigen Treffens war nichts bekannt geworden. Wegen des Machtkampfs stürzte die Türkische Lira ab. Am Mittwoch fiel sie gegenüber dem Euro auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Monaten.

Auch nach einem Wechsel an der Regierungsspitze werde es keine vorgezogenen Parlamentswahlen in der Türkei geben. Die Regierungspartei AKP bleibe "mit Sicherheit" bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2019 an der Macht, sagte Präsidentenberater Cemil Ertem am Donnerstag dem Fernsehsender NTV.

Präsident schwächt Ministerpräsidenten

Erst vergangene Woche hatte die Führung der AKP Davutoglus Befugnisse eingeschränkt, was Kolumnisten und Oppositionspolitiker als Schlag gegen den Regierungschef und Parteivorsitzenden werteten. Davutoglu hatte beide Posten von Erdogan übernommen, nachdem dieser im August 2014 vom Volk zum Staatspräsidenten gewählt worden war.

Erdogan-Anhänger verdächtigen Davutoglu, die Macht des Präsidenten untergraben zu wollen. Die beiden Spitzenpolitiker liegen laut Medienberichten unter anderem wegen einer von Erdogan angestrebten Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems im Clinch. Die Änderung würde Erdogan als Staatsoberhaupt mehr Macht verleihen.

Nachfolger stehen bereit

Um ein Verfassungsreferendum über das Präsidialsystem abzuhalten, benötigt die AKP eine 60-Prozent-Mehrheit im Parlament. Dazu fehlen der Partei zurzeit 13 Abgeordnetensitze. Als mögliche Nachfolger Davutoglus werden nach einem Bericht der Zeitung "Cumhuriyet" Verkehrsminister Binali Yildirim und Erdogans Schwiegersohn - Energieminister Berat Albayrak - gehandelt. Beide gelten als absolut loyal gegenüber Erdogan.

Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu befürchtet bei einem Wechsel im Amt des Regierungschefs eine Ausweitung der Macht von Erdogan. Davutoglus Rücktritt würde zu einer "Bekräftigung der Diktatur in der Türkei" führen, sagte Kilicdaroglu der Deutschen Presse-Agentur in Ankara. "Erdogan möchte einen Ministerpräsidenten, der ihm zu hundert Prozent gehorcht."

"Akzeptieren kein Präsidialsystem"

Der Chef der Mitte-Links-Partei CHP sagte weiter, Erdogan habe immer wieder Druck auf Davutoglu ausgeübt und nie gewollt, dass der Regierungschef "außerhalb des Willens des Staatspräsidenten agiert". Eine Zustimmung seiner Partei zu dem von Erdogan und der AKP angestrebten Präsidialsystem schloss Kilicdaroglu kategorisch aus. "Wir akzeptieren kein Präsidialsystem, unter keinen Bedingungen." Erdogan sei für ihn schon jetzt "ein Diktator".

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu hatte Davutoglu bereits am Dienstag angedeutet, dass er nicht um jeden Preis an seinem Amt festhalten werde. Er werde eher sein "Ego mit Füßen treten", als dem Wohle der Partei zuwiderzuhandeln, sagte er demnach bei einer Rede in Ankara.

(APA/AFP)

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