Flugzeugabsturz: "Allem Anschein nach ein Terrorakt"

Watching Developments At Charles de Gaulle Airport As EgyptAir Passenger Plane Vanishes From Radar
Watching Developments At Charles de Gaulle Airport As EgyptAir Passenger Plane Vanishes From Radar(c) Bloomberg (Christophe Morin)
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Eine Egypt-Air-Maschine ist auf dem Weg von Paris nach Kairo über dem Mittelmeer abgestürzt. Erste Wrackteile wurden gefunden. An Bord befanden sich 66 Menschen.

Kairo. Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Wir sind sehr bewegt und traurig“, erklärte Ägyptens Verkehrsminister, Sherif Fathi, während draußen vor der Küste Flugzeuge und Schiffe aus Ägypten, Griechenland und Frankreich erste größere Wrackteile der abgestürzten Egypt-Air-Maschine orteten. Seine Regierung schließe keine Hypothese aus, versicherte Fathi, weder ein technisches Versagen noch einen Terroranschlag – den er dann allerdings als die wahrscheinlichere Ursache bezeichnete.

Eine Einschätzung, die der Chef des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB teilt. „Allem Anschein nach ist es ein Terrorakt“, sagte Alexander Bortnikow laut der Agentur Interfax, ohne Details zu nennen. Am Abend bestätigte Kairo, dass es sich bei den vor der griechischen Insel Karpathos gefundenen Trümmerteilen und Rettungswesten um die Überreste des Egypt-Air-Flugs MS804 handele.

Doch solange die Flugschreiber nicht gefunden sind, bleibt vieles rätselhaft an dem nächtlichen Unglück über dem Mittelmeer. Eines jedoch wissen die Verantwortlichen in Kairo: Ihr Land kann momentan nichts schlechter gebrauchen als eine neuerliche Debatte über Terrorgefahr und Sicherheit in Ägypten.
Die Egypt-Air-Unglücksmaschine, ein 13 Jahre alter Airbus 320, war am späten Mittwochabend um 23.30 Uhr auf dem Flughafen Charles-de-Gaulle in Paris gestartet. An Bord befanden sich insgesamt 56 Passagiere, darunter 30 Ägypter, 15 Franzosen und elf Bürger anderer Nationen. Dazu kamen sieben Besatzungsmitglieder und drei Sicherheitsleute.

Feuerball am Himmel

Nach Angaben der Fluggesellschaft verschwand die Maschine gegen 2.45 Uhr plötzlich von den Radarschirmen, etwa 45 Minuten vor der Landung in Kairo. Der Unglücksort dürfte rund 280 Kilometer von der ägyptischen Küste entfernt liegen. Wie Fotos von Wettersatelliten zeigten, herrschte in der Region gutes Wetter. Die Maschine befand sich auf seiner Reiseflughöhe von 11.000 Metern und hatte den Landeanflug auf Kairo noch nicht begonnen.

(c) Die Presse



Frankreich und Ägypten haben nach dem Unglück Krisenstäbe eingerichtet, die Präsidenten François Hollande und Abdel Fatah al-Sisi telefonierten miteinander. Die ägyptische Seite hatte zunächst gemeldet, die Piloten hätten Minuten vor dem Absturz ein Notsignal gesendet. Es war eine Information, die später dementiert wurde. Bewohner der griechischen Insel Karpathos wollen indessen einen Feuerball gesehen haben. Im Internet kursierte ein 17 Sekunden langes Video, das angeblich ein brennendes Flugzeug am Nachthimmel zeigt. Das Athener Verteidigungsministerium meldete, die Maschine mit der Flugnummer MS 804 habe zunächst eine 90-Grad-Kehre nach links gemacht, sich dann einmal um die eigene Achse gedreht, bevor sie rapide an Höhe verlor.

Ausnahmezustand verlängert

Eine plötzliche Katastrophe an Bord, die den Piloten für einen Notruf keine Zeit mehr ließ, nährt die Spekulationen über einen Terroranschlag. Frankreich und Ägypten standen in den vergangenen zwei Jahren im Fokus von al-Qaida und dem Islamischen Staat (IS). Erst im November töteten IS-Anhänger 130 Besucher in einer Konzerthalle und in mehreren Straßencafés in Paris. Der seither in Frankreich geltende Ausnahmezustand wurde am Donnerstag verlängert, nicht zuletzt mit Blick auf die Fußball-EM, die hier im Juni stattfindet.

In Ägypten kamen bisher über 700 Polizisten und Soldaten bei Anschlägen ums Leben, die meisten im Nordsinai, Dutzende aber auch in Kairo. Im Juni 2015 konnte auf dem Gelände des Karnak-Tempels in Luxor ein Massaker an Touristen in letzter Minute verhindert werden. Allein für die ersten drei Monate 2016 registrierte das Tahrir Institute for Middle East Politics 210 Terroranschläge im ganzen Land.

Fehler nicht eingeräumt

Egypt Air genießt in der Luftfahrtbranche einen guten Ruf. Die beiden Piloten waren sehr erfahren. Das bisher schwerste Egypt-Air-Unglück ereignete sich 1999 vor der amerikanischen Küste nahe der Insel Nantucket. Damals ist eine Boeing 767 nach dem Start in New York ins Meer gestürzt, alle 217 Menschen an Bord kamen ums Leben. Nach Überzeugung der US-Ermittler brachte der Kopilot das Flugzeug bewusst zum Absturz. Es ist eine Analyse, die die ägyptische Seite auch 17 Jahre nach dem Unglück immer noch bestreitet.

Im Mai 2002 krachte eine Boeing 737 während des Landeanflugs auf Tunis in einen Sandhügel sechs Kilometer vor dem Flughafen. 14 der 62 Insassen starben. Und Ende März 2016 entführte ein Ägypter, der mit der Attrappe eines Selbstmordgürtels an Bord gelangt war, eine Egypt-Air-Maschine auf einem Inlandsflug nach Zypern. Der Mann sitzt in Larnaka in Auslieferungshaft.

Kairo hat bislang verabsäumt, Fehler einzuräumen sowie Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. So weigert sich das Land nach wie vor, den Absturz des russischen Ferienfliegers im vergangenen Oktober, der auf dem Weg von Sharm el-Sheikh nach St. Petersburg über dem Nordsinai explodierte, offiziell als Terroranschlag einzustufen und damit schwere Lücken bei der Flughafensicherheit zuzugeben. Der IS, der auf dem Sinai eine Terrorgruppe aufgebaut hat, behauptet, die Bombe sei in einer Getränkedose an Bord geschmuggelt worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

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