Wenn Chinas Beamte als Online-Trolle arbeiten

Chinas Nationalflagge über dem Tian'anmen-Platz.
Chinas Nationalflagge über dem Tian'anmen-Platz.REUTERS
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Fast 490 Millionen regierungsfreundliche Postings produzieren chinesische Beamte laut einer Studie pro Jahr. Damit solle die Bevölkerung abgelenkt werden.

Chinas Propagandaschreiberlinge sind beschäftigt: Sie produzieren pro Jahr nahezu 490 Millionen Postings in Sozialen Medien, um die Öffentlichkeit von regierungskritischen Gedanken abzubringen. Das geht aus einer Studie der Harvard Universität hervor.

Schon lange wird die sogenannte 50-Cent-Partei beschuldigt, Chinas Internet mit propagandistischen Nachrichten zu fluten. Bisher wurde angenommen, dass die Peking-Trolle einfache Bürger sind, die sich mit ihrer Postingtätigkeit in chinesischen Sozialen Netzwerken ein Nebeneinkommen sichern. Es wird kolportiert, dass sie umgerechnet rund 50 Cent für einen Kommentar in Social-Media-Plattformen gezahlt bekommen - daher auch der Name.

Die Harvard-Studie behauptet nun, dass nicht Bürger sondern Beamte die meisten Kommentare verfassen und das neben ihrer regulären Arbeit. Die US-Wissenschafter untersuchten geleakte Dokumente einer lokalen Propagandaabteilung im Südosten Chinas. Eine Analyse von knapp 43.800 Postings aus dem Jahr 2013 ergab, dass 99,3 Prozent der Beiträge von Beamten aus mehr als 200 Regierungsorganisationen stammten.

Einer von 178 Postings ist Propaganda

Die 50-Cent-Partei sei eine "enorme Arbeiterschaft", heißt es in der Studie: Obwohl unklar ist, wie viele dieser Online-Schreiberlinge für die Regierung arbeiten, geben die Forscher eine Einschätzung über die Menge der Postings ab. Von den 488 Millionen Online-Beiträgen der 50-Cent-Partei pro Jahr werde die Hälfte für Regierungswebseiten verfasst. Die übrigen 212 Millionen Kommentare fügten die Propagandisten gezielt in die 80 Milliarden Postings in Chinas Sozialen Medien ein. Damit sei einer von 178 Kommentaren in Sozialen Netzwerken Propaganda.

Die meisten dieser Kommentare würden üblicherweise in explosionsartigen Mengen veröffentlicht. Damit wolle die Regierung heftige Diskussionen der normalen Bevölkerung im Internet nachahmen. Die vorgetäuschten Online-Ausbrüche aber erschienen zu bestimmten Zeiten, heißt es. Und zwar während politisch heikler Phasen, wie Parteikongressen, Unruhen oder Feiertagen.

Gefahr geht vom Volk aus

Mit einem zweiten Mythos räumen die Forscher noch auf: Dass es die 50-Cent-Partei mit ruchlosen Attacken auf regierungskritische Online-User oder oppositionelle Ansichten abgesehen habe. Das genaue Gegenteil sei der Fall. "Sie treten nicht auf, um die Regierung, ihre Führer oder ihre Politik vor Kritik zu schützen, gleich wie ätzend sie ist. Tatsächlich scheinen sie kontroverse Themen völlig zu meiden", heißt es in dem Artikel.

Stattdessen lobe die Gruppe die Partei in ihren Beiträgen und versuche, positive Diskussionen auszulösen. Das sei eine Strategie, meinen die Autoren, um die Öffentlichkeit aktiv von aktuellen kritischen Diskussionen, Missständen oder kollektiven Bewegungen abzulenken. Denn die chinesische Regierung fühle sich nicht vorwiegend durch ausländische Mächte bedroht. Die wahre Gefahr für ihre Legitimität gehe von der eigenen Bevölkerung aus, meint Peking.

>>> Zur Studie der Harvard Universität.

In Zahlen

488 Millionen Postings soll Chinas 50-Cent-Partei pro Jahr produzieren, heißt es in einer Studie. Die Hälfte der regierungsfreundlichen Kommentare wird auf Regierungswebseiten veröffentlicht. 212 Millionen Kommentare schreiben die Propagandisten für Soziale Medien. Insgesamt verfassen Chinas Online-Nutzer pro Jahr 80 Milliarden Beiträge. 99,3 Prozent der Propaganda-Postings verfassen Beamte als Nebenjob.

(maka)

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