Die Extremisten des Islamischen Staates töteten in den vor allem von Alawiten bewohnten syrischen Städten Tartus und Jableh mehr als 120 Menschen. Die Sprengsätze detonierten bei Taxi- und Bushaltestellen.
Damaskus/Bagdad. Es war eine der blutigsten Anschlagsserien seit Jahren, die Syrien am Montag heimgesucht hatte. Bei mehreren Detonationen in den Küstenstädten Tartus und Jableh wurden mehr als 120 Menschen getötet. Bei fast allen Opfern handelt es sich offenbar um Zivilisten. Das berichtete die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die auf ein Netz aus lokalen Informanten zurückgreift.
In Tartus und Jableh gingen am Montagfrüh fast zeitgleich sieben Bomben hoch. Mehrere der Sprengsätze wurden von Selbstmordattentätern gezündet. Laut ersten Informationen der Beobachtungsstelle für Menschenrechte starben in Jableh 73 und in Tartus 48 Menschen. Die syrische Regierung bestätigte die Anschlagserie, gab zunächst aber eine niedrigere Zahl von Todesopfern an: 45 in Jableh und 33 in Tartus. Zu den Attentaten bekannte sich die Jihadistenorganisation des sogenannten Islamischen Staates (IS).
Bilder des staatlichen Fernsehens zeigten von einem der Anschlagsorte Wracks verbrannter Autos und Kleinbusse. In Internet-Netzwerken kursierten Fotos von Toten, die auf die Ladeflächen von Lastwagen geladen wurden, und von auf dem Boden verstreuten Leichenteilen. Den Aktivisten zufolge handelte es sich bei den Detonationen um Anschläge auf Taxi- und Bushaltestellen in beiden Küstenstädten sowie eine Elektrizitätsfirma und die Notaufnahme eines Krankenhauses in Jableh.
Tartus und Jableh befinden sich – so wie ihr gesamtes Umland an der Küste – unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Dort leben vor allem Angehörige der religiösen Minderheit der Alawiten. Zu dieser Religionsgemeinschaft gehört auch Syriens Machthaber Bashar al-Assad. Zudem beherbergt Tartus einen Marinestützpunkt der russischen Streitkräfte, die die Regimetruppenmilitärisch unterstützen. Der russische Präsident Wladimir Putin versprach in einer ersten Reaktion auf die Attentate, dass er an der Seite Assads den Kampf gegen „die terroristische Bedrohung“ fortsetzen werde.
Der IS gab über seine Propagandaagentur Amaq bekannt, gezielt Versammlungen von Alawiten attackiert zu haben. Da viele der syrischen Alawiten dem Regime nahestehen, sind sie auch unter moderateren Rebellengruppen verhasst. Die IS-Extremisten sehen zudem in allen Alawiten „Ungläubige“, die bekämpft und vernichtet werden müssen. Bisher war der IS in den alawitisch geprägten, syrischen Küstenstädten kaum in Aktion getreten. Er verfügte dort aber offenbar über Schläferzellen, die nun zugeschlagen haben.
Offensive gegen Falluja
Zugleich gerät der IS aber an anderen Fronten weiter unter Druck. Vor einigen Tagen warf die US-geführte Anti-IS-Koalition über Raqqa, der Hauptstadt des IS in Syrien, Flugblätter ab. Darin wurde den Einwohnern mitgeteilt, dass eine Offensive gegen Raqqa bevorstehe und sie die Stadt verlassen sollten.
Im Irak kündigte Premier Haudar al-Abadi am Montag an, dass die Operationen zur Rückeroberung der Stadt Falluja begonnen hätten. Falluja liegt westlich von Bagdad und gilt als eine der IS-Hochburgen.(APA/Reuters/red.)
(Print-Ausgabe, 24.05.2016)