Wie sich China im Pazifik ausbreitet

Chinas Kriegsmarine hält Manöver im Südchinesischen Meer ab. Auch mit paramilitärischen Truppen zeigt Peking Präsenz in der umkämpften Region.
Chinas Kriegsmarine hält Manöver im Südchinesischen Meer ab. Auch mit paramilitärischen Truppen zeigt Peking Präsenz in der umkämpften Region.Reuters
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Peking will die Ansprüche in der Region mit allen Mitteln durchsetzen. Auf Einmischung von außen reagiert es erzürnt.

Wien/Peking/Tokio. Es brodelt im Südchinesischen Meer. Kaum eine Woche vergeht ohne Scharmützel zwischen chinesischen Kampfjets und US-Einheiten, ohne Schuldzuweisungen in Chinas Parteizeitungen und Anfeindungen in japanischen und US-Medien. Der Konflikt geht in die heiße Phase: In Kürze wird ein Schiedsspruch des internationalen Gerichtshofs in Den Haag zu den umstrittenen Gebieten erwartet.

Dass bei dem G7-Gipfel mit dem Erzfeind Japan als Gastgeber der Konflikt Thema ist, ist Peking ein Dorn im Auge. Die Industriestaaten sollten sich aus dem Inselstreit heraushalten, „anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen und Konflikte anzufachen“, hieß es aus Peking. Die G-7 wollen in einer gemeinsamen Erklärung das aggressive Vorgehen Chinas im Südchinesischen Meer indirekt kritisieren. Für Unmut sorgte in China auch der kürzlich erfolge Staatsbesuch Barack Obamas im kommunistischen Vietnam. Der US-Präsident habe das Waffenembargo gegen den einstigen Kriegsgegner aus geostrategischen Gründen aufgehoben, schrieb „China Daily“: Die USA sorgten sich um Chinas rasanten Aufstieg. Am Dienstag konterte Obama bei einer Rede in Hanoi: „Große Länder sollten kleinere nicht schikanieren.“

Fischer und „blaue Männchen“

Seit Wochen schon versucht China, Unterstützer im Seerechtsstreit zu gewinnen. Es wird das Urteil nicht anerkennen: Der einseitig in Den Haag eingebrachte Antrag der Philippinen sei „politische Posse unter einem juristischen Mantel“, meinte ein chinesischer Völkerrechtsexperte. Manila wolle die illegale Besetzung chinesischer Inseln legitimieren. Peking lehnt eine internationale Austragung des Konflikts ab, es pocht auf bilaterale Lösungen. Damit wolle es einen Präzedenzfall schaffen, sagt Pascal Abb vom Hamburger Giga-Institut. Gegen den Willen eines derart mächtigen Landes solle es nicht möglich sein, solche Urteile durchzusetzen.

Außer Vietnam sind die Philippinen Chinas lokale Hauptwidersacher. Während Peking und Hanoi ihre Ansprüche auf die Paracel- und Spratly-Inseln mit historischen Nutzungsrechten begründen, beruft sich Manila auf die geografische Nähe zu den Spratlys und dem Scarborough-Riff. Auch Brunei, Malaysia und Taiwan erheben Rechte, China beansprucht mit 80 Prozent jedoch das größte Gebiet. Die USA wiederum pochen darauf, dass es sich um internationale Gewässer mit Zugang für alle handle. Denn im Südchinesischen Meer geht es um mehr als Fischgründe und Rohstoffe. Jährlich wird Handel im Wert von fünf Billionen US-Dollar über die Straße von Malakka abgewickelt. Auch militärstrategisch ist die Region bedeutend: Sie verbindet den Pazifischen und den Indischen Ozean zu einem Operationsraum. Hier entscheidet sich, ob das unterlegene China in der Lage sein wird, sich militärisch gegen die USA durchzusetzen.

Die Parteien kämpfen mit allen Mitteln, um ihre Ansprüche durchzusetzen. Neben Patrouillen, Landaufschüttungen und der Errichtung von Militärstützpunkten bleiben aber kleine, nicht staatliche Schritte unbemerkt: Fischer, die Gründe sichern wollen, oder Firmen, die sich unter Riffen und Sandbänken reiche Erdöl- und Gasdepots erhoffen. Auf diese nicht militärische Weise versuche China Fakten zu schaffen, um die Anrainerstaaten an seine starke Präsenz zu gewöhnen, sagt Abb. „China spielt seinen Machtvorteil aus, um seine Dominanz zu demonstrieren.“

Zur Umsetzung dieser „Salami-Taktik“ setzt Peking auch auf Marinemilizen in der riesigen Fischereiflotte, sogenannte blaue Männchen. Die paramilitärischen Truppen sollen Chinas Forderungen durch Präsenz, Spionage und Inselbesetzungen sichern. Halb zivil verteidigen sie gleichzeitig ihnen angeblich zustehende Fischgründe und nationale Interessen.

Kleine Konfrontationen mit Folgen

Ein Wendepunkt für die immer bestimmtere Haltung in dem Konflikt sei Washingtons Schwenk nach Asien gewesen, meint Abb. 2011 erklärte die Obama-Administration den asiatisch-pazifischen Raum als außenpolitischen Fokus. Aus chinesischer Sicht hätten die USA die südostasiatischen Länder ermuntert, China mit einer Einwicklungspolitik herauszufordern. Seit Antritt von Staatschef Xi Jinping 2012 sei Peking zudem nicht mehr bereit, seine Stärke herunterzuspielen. Asiens Großmacht wirft nicht nur den USA, sondern auch Japan vor, China als Sündenbock darzustellen und damit eigene Ziele zu verfolgen. Tatsächlich versuchen beide Länder, die Anrainerstaaten wirtschaftlich und sicherheitspolitisch zu binden. Tokio liegt schließlich auch mit seinem Nachbarn im Ostchinesischen Meer im Clinch. Das Südchinesische Meer beim G7-Gipfel zu thematisieren ist daher „sehr schlau und bewusst gewählt“, sagt Alfred Gerstl vom Institut für Ostasienwissenschaften.

Mehrmals warnte Peking vor einer Eskalation, sollten die beiden Rivalen sich weiter einmischen. Gerstl hält einen gesteuerten kriegerischen Konflikt wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit zwar unwahrscheinlich, gefährlich seien aber Nationalismen in China, Vietnam und auf den Philippinen. Kleine Konfrontationen könnten sich zu begrenzten Militärauseinandersetzungen auswachsen, wenn zu spät eingriffen werde, meint Gerstl: „Wenn der Volkszorn kocht, greift irgendwann die Bündnislogik.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2016)

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