Wenn die großen sieben lieber zurückblicken als nach vorn

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Der G7-Gipfel hat lediglich ein schwammiges Kommuniqué hervorgebracht – und die Frage aufgeworfen, wie zeitgemäß das Format G7 überhaupt noch ist.

Ise-Shima. Das Beste gleich zu Beginn: Immerhin waren sich die im japanischen Ise-Shima versammelten G7-Staats- und Regierungschef einig, dem vom Zerfall bedrohten Irak mit einer Finanzspritze von 3,2 Milliarden Euro auf die Beine zu helfen und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in die Schranken zu weisen. Sonst kann sich jeder aus dem Abschlussdokument herausfischen, was in sein politisches Konzept passt.

Europa und vor allem Deutschland fordern eine „globale Antwort“ auf die Asyl- und Flüchtlingskrise, die unterdessen schon die höchste Zahl von Vertriebenen seit dem Zweiten Weltkrieg in Marsch gesetzt hat. Die USA werden sehr zufrieden sein, dass die G7 ihre Strafmaßnahmen gegen Russland wegen der Ukraine-Besetzung bestehen lassen und weitere Sanktionen androhen, wenn Moskau nicht das Minsker Friedensabkommen vollständig umsetzt, was allerdings schon längst hätte geschehen sollen. Japan findet sich mit seinen Sorgen um den Zustand der vor sich hin dümpelnden Weltwirtschaft in der Abschlusserklärung vertreten. Die globale Nachfrage solle gestärkt werden, jedoch nur unter Berücksichtigung „länderspezifischer Umstände“. Was im Klartext heißt: Die Regierung in Tokio darf sich ohne Widerspruch weiter hoffnungslos verschulden, Berlin und London jedoch machen bei den Schulden nicht mit und sanieren lieber ihre Haushalte.

Im Streit um die Inseln im Süd- und Ostchinesischen Meer werden sich die USA und Japan die Punkte zuschreiben. „Keine Gewalt oder Zwangsmaßnahmen“ sind eindeutig auf China gemünzt, das auch gleich heftig und aggressiv reagierte. Es gehe nicht um die Anrainer an sich, sondern um die Interessen von Washington und Tokio. Und bei den „entschiedenen und robusten Maßnahmen“ gegen Cyber-Angriffe durch Staaten darf man die Schuldigen getrost bei China, Russland und Nordkorea sehen – alles Länder, die nicht mit am Tisch saßen.

Russland droht mit Sanktionen

Rechtlich verbindliche Beschlüsse waren von diesem Treffen ohnehin nicht zu erwarten. Zudem ist fraglich, ob die G7 in dieser Form überhaupt noch zeitgemäß sind. Wenn die Chefs sich zum Familienfoto aufstellen, fühlen sie sich vielleicht wie eine Art informelle Weltregierung.

Von der anspruchsvollen Formel „führende Industriestaaten der Welt“ ist diese Zusammenkunft aber längst abgerückt, nachdem der russische Präsident, Wladimir Putin, wegen der Krim-Besetzung 2014 vor die Tür gesetzt wurde. In Ise-Shima haben die G7-Staaten gar mit neuen Sanktionen gegen Russland gedroht, sollte sich Moskau nicht ernsthaft um eine Lösung in der Ukraine-Krise bemühen. Die Antwort ließ freilich nicht lang auf sich warten. Moskau will die Sanktionen gegen den Westen bis 2017 verlängern, hieß es am Freitag. Betroffen ist etwa die Einfuhr von Lebensmitteln.

Neben Russland war es auch China, immerhin die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, das nicht am Gipfeltisch saß. Das hat Japan bisher stets erfolgreich verhindert. Schuld am schleichenden Verfall der G7-Treffen zu einem Show-Ritual sind vor allem die nationalen Egoismen und eine Art neue populistische Internationale. Daher lässt sich im Kommuniqué von Ise-Shima wenig Zukunftsweisendes entdecken. Allenfalls, dass man sich auf einen Paradigmenwechsel verständigt hat. Statt ökonomische Macht zu repräsentieren, gilt jetzt wieder das Gründungsprinzip – die gemeinsamen Werte kapitalistischer Staaten. Aber von Gemeinsamkeit war bei diesem Treffen nicht viel zu spüren. (a.k.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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