Trump auf Zickzackkurs

Donald Trump am Freitag bei einer Kundgebung vor seinen Anhängern in Fresno, Kalifornien.
Donald Trump am Freitag bei einer Kundgebung vor seinen Anhängern in Fresno, Kalifornien.(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
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Der republikanische Kandidat für die US-Präsidentenwahl wirft reihenweise Versprechen über den Haufen und verschleiert seine Finanzen.

Als „Die Presse am Sonntag“ im Jänner und Februar Kundgebungen von Donald Trump und seinen Konkurrenten in Iowa, New Hampshire und South Carolina besuchte, war von den Anhängern des grellen Selbstvermarkters fast durchwegs ein Argument zu hören: Er ist nicht korrupt wie die anderen Politiker, weil er seinen Wahlkampf aus der eigenen Tasche bezahlt und nicht auf Spenden angewiesen ist. Trump wurde nicht müde, seine angebliche finanzielle Eigenständigkeit zu betonen: „Sie werden mich nicht unterstützen, weil ich Ihr Geld nicht will. Würde ich Ihr Geld wollen, hätte ich eine verdammt gute Chance. Wissen Sie, wie viel Geld ich schon abgelehnt habe?“, sagte Trump Anfang Dezember vor jüdischen Parteimitgliedern. „Ich gebe allen Geld. Und wissen Sie was? Wenn ich etwas von ihnen brauche, zwei Jahre später, drei Jahre später, rufe ich sie an. Und sie sind für mich da. Das ist ein kaputtes System“, donnerte Trump im August bei der ersten TV-Konfrontation mit seinen Widersachern.


Dinner mit Donald.
Heute, mit der nötigen Mehrheit von mehr als 1237 Parteidelegierten und der Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten in der Tasche, sieht die Sache gänzlich anders aus. Trump hat sein Versprechen, bloß auf eigene Rechnung ins Weiße Haus einzuziehen, über Bord geworfen. Anfang Mai erklärte er, um Spenden zu bitten. Auch die Unterstützung durch Super-PACs, also von anonymen, unbeschränkten Spenden finanzierte Wahlkampfvehikel, nimmt Trump nun ausdrücklich an.

Am Mittwochabend trieb Trump bei einem Abendessen in Santa Monica mit rund 100 republikanischen Förderern aus der Immobilien- und Unterhaltungsbranche rund sechs Millionen Dollar (5,4 Millionen Euro) ein, berichtete das „Wall Street Journal“ am Samstag. Die Teilnehmer zahlten zwischen 25.000 und 100.000 Dollar, um in Trumps Anwesenheit zu essen, sich mit ihm fotografieren zu lassen und mit ihm zu plaudern.

Jeder Cent zählt. Das heurige Ringen um die Präsidentschaft dürfte der bisher teuerste Wahlkampf Amerikas werden. Hillary Clinton, Trumps voraussichtliche demokratische Gegnerin, hat vor, mindestens eine Milliarde Dollar an direkten Spenden für ihre eigene Kampagne und das Wahlbudget der Partei einzutreiben. Dazu kommen, wie bei den Republikanern, enorme anonymisierte Summen für demokratische Super-PACs. Es ist zu erwarten, dass bis zum Wahltag am 8. November für das Rennen um die Präsidentschaft, die Wahlen aller Kongressabgeordneten und jedes dritten Senators sowie zahlreicher Gouverneure und sonstiger lokaler und regionaler Amtsträger in Summe mehr als vier Milliarden Dollar ausgegeben werden.

Solche Summen könnte selbst ein reicher Mann wie Trump nicht aus der eigenen Tasche bezahlen. Doch wie reich er wirklich ist, entzieht er einer sachlichen Prüfung. Trump behauptet, zehn Milliarden Dollar zu besitzen. Die Belege dafür sind letztlich bloß seine eigenen Angaben, die man glauben oder hinterfragen kann.

Denn auch in der Frage der Offenlegung seiner persönlichen Finanzen legt Trump einen schwindelerregenden Zickzackkurs hin. Im Jahr 2014 sagte er im Interview mit einem irischen Fernsehsender: „Wenn ich mich dazu entschließe, ein Amt anzustreben, werde ich meine Steuererklärungen veröffentlichen, absolut.“ Drei Jahre davor hatte er auf ABC News versprochen, dass er dies tun werde, falls Präsident Barack Obama seine Geburtsurkunde vorlegt (Trump war eine der lautesten Stimmen jener von rechtsextremen Verschwörungstheoretikern angetriebenen Bewegung der „Birther“, die behaupteten, Obama sei gar nicht in den USA geboren).

Trumps Begründung für diese Geheimnistuerei wechselt von Tag zu Tag. Manchmal erklärt er, da sei nichts Interessantes zu finden. Dann wieder behauptet er, seine Steuererklärungen würden von der Finanzbehörde (IRS) geprüft, was es ihm leider verunmögliche, sie der Öffentlichkeit vorzulegen (die IRS teilte dem entgegen mit, Prüfungen seien kein Hinderungsgrund, Steuererklärungen zu veröffentlichen). Zuletzt wies Trump Fragen nach seinen Steuern schroff zurück.


Wähler wollen Transparenz.
Damit bricht Trump mit einer vier Jahrzehnte alten US-Tradition (genauso wie Clintons linker Herausforderer Bernie Sanders, der noch immer keine vollständigen Steuerunterlagen veröffentlicht hat). „Man muss die Steuererklärungen von zwei Jahren vorlegen, um einen Hypothekenkredit zu bekommen, aber laut Donald Trump offensichtlich nicht, um Präsident der Vereinigten Staaten zu werden“, unkte Ben White, Wirtschaftsjournalist von „Politico“. Das „Wall Street Journal“ kam nach einer tiefgründigen Untersuchung seiner veröffentlichten Besitzungen und Markenrechte zum Schluss, dass Trump heuer höchstens 160 Millionen Dollar an Einkünften haben wird – vor Steuern. Das wäre viel zu wenig, um seinen Wahlkampf allein zu stemmen.

Dieser Wankelmut in Fragen, die für viele seiner Fans wesentlich für ihre Unterstützung waren, erstreckt sich auch auf sachpolitische Themen. Vor ein paar Wochen meinte Trump noch, Amerika könne nicht als Weltpolizist patrouillieren. Am Freitag erklärte er hingegen, die USA sollten islamistische Terroristen in Libyen bombardieren. Vorletzte Woche erstaunte er die Öffentlichkeit mit dem Vorschlag, Amerikas Staatsschulden neu verhandeln zu wollen. Das würde, wie am Beispiel Griechenlands zu beobachten, an den Finanzmärkten als Staatsinsolvenz bewertet und könnte eine Weltwirtschaftskrise auslösen. Später erklärte Trump, er habe das nicht so gemeint.


Kopf an Kopf mit Clinton. In den Umfragen schadet ihm das bei oberflächlicher Beschau derzeit, fünf Monate vor der Wahl, noch nicht. Clinton ringt mit ihrem eigenen schlechten Image und dem Umstand, dass Sanders die Partei noch spalten kann. Trump liegt in jüngsten Umfragen nur im einstelligen Prozentbereich hinter Clinton, in vereinzelten Umfragen sogar knapp vor ihr. Doch das wird sich ändern, wenn Clinton erwartungsgemäß nach den Vorwahlen in Kalifornien, New Jersey und ein paar anderen US-Teilstaaten die Mehrheit von 2383 Delegierten erlangt. Und ein genauerer Blick in Trumps Umfragewerte offenbart, dass ihn sein Zickzackkurs ziemlich beeinträchtigen könnte: Sechs von zehn unabhängigen Wählern wollen laut jüngster Erhebung von „Washington Post“ und ABC News, dass er seine Steuererklärungen offenlegt – und 44 Prozent der Republikaner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2016)

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