Italien: Wie die „Grillini“ Rom erobern wollen

Kämpft um Rom: Anwältin Virginia Raggi will die neue Bürgermeisterin werden.
Kämpft um Rom: Anwältin Virginia Raggi will die neue Bürgermeisterin werden.(c) REUTERS (TONY GENTILE)
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Virginia Raggi, die Kandidatin der Fünf-Sterne-Bewegung hat gute Chancen, die Bürgermeisterwahl in Rom zu gewinnen. Parteichef Beppe Grillo sieht die Wahl als Sprungbrett zur Macht.

Rom. Italien könnte wieder einmal vor einer großen Umstrukturierung stehen: Am Sonntag sind die Bewohner von gut 1300 Gemeinden zu Wahl gerufen – darunter die der wichtigsten Städte des Landes: Rom, Mailand, Neapel, Turin, Bologna. Insgesamt soll ein Viertel der italienischen Wahlbürger seine Stimme abgeben.

Während die sozialdemokratische Regierung um Matteo Renzi aus Turin und Bologna nichts zu befürchten hat und in Mailand das Links-rechts-Spiel der Parteien mit zwei gutbürgerlichen Kandidaten in altvertrauter Weise weitergeht, wird das Entscheidende wohl in Rom passieren. Die rebellische Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo steht davor, die Hauptstadt zu erobern – wobei sich die „Grillini“ weniger für die Stadt selbst interessieren als für deren Sprungbrettfunktion auf dem Weg zur nationalen Macht. In landesweiten Umfrage führt mit beständig leicht sinkender Tendenz zwar immer noch Renzi, aber die Fünf Sterne sind dermaßen nahe an die Sozialdemokraten herangerückt, dass ein Wahlausgang derzeit nicht vorhersagbar wäre.

Schlaglöcher, Müll, Verkehr

Vor drei Jahren sind die „Grillini“ aus dem Stand mit mehr als 25 Prozent ins nationale Parlament gekommen und betreiben dort Fundamentalopposition. Kürzlich haben sie zwar ihren Erfinder, ihren „Guru“ verloren: Der Mailänder Computerunternehmer Gianroberto Casaleggio, der stille Ideologe hinter dem Showstar und Aushängeschild Beppe Grillo, ist im Alter von 61 Jahren gestorben. Die darauffolgende geplante Umstrukturierung der Partei – angeblich durch Internet-Votum, in Wahrheit von der undurchsichtigen Firma Casaleggio gesteuerten „Nicht-Partei“ – wurde aufgeschoben. Erst einmal muss Rom gewonnen werden.

Dort ist der Boden gut bereitet. In den fünf Jahren des rechtskonservativen Bürgermeisters Gianni Alemanno und in den zwei Jahren des bemühten, aber ungeschickten und von der eigenen Partei im Stich gelassenen Sozialdemokraten Ignazio Marino, ist Rom immer weiter verfallen. Als Sinnbild dafür gelten die von Schlaglöchern übersäten Straßen, der nicht abgeholte Müll, der desolate öffentliche Nahverkehr. Ende 2014 flog auch noch eine regelrechte Hauptstadtmafia auf, die Mafia Capitale, in deren Netz so viele, auch hochrangige Stadtmanager und Parteifunktionäre versponnen sind, dass die Bürger den gesamten Verwaltungs- und Politik-Apparat für korrupt und verfault halten. Da genau setzt Beppe Grillo mit seinen neuen, seinen unverbrauchten Gesichtern an. Fürs Bürgermeisteramt kandidiert die attraktive Anwältin Virginia Raggi (37), die zusammen mit ihrer designierten Mannschaft den meisten bisher unbekannt war, und die ein Gegenbild zur bisherigen politischen Klasse abgibt. Raggi verspricht das große Aufräumen in allen Bereichen. Woher sie im überschuldeten Rom das Geld und – als administrativ Unerfahrene – die Durchsetzungskraft gegenüber der verfilzten Bürokratie nehmen will, bleibt offen.

Nur nicht ein „Renzianer“

Rechts oder links haben in Rom als politische Kategorien ausgedient; Beppe Grillo – Radikalpopulist, rhetorischer Grobian, Europafeind und Stimmungsmacher gegen Ausländer – oszilliert nach allen Seiten. Virginia Raggi selbst hat Unterstützung aus der ganz linken Ecke ebenso wie aus der ganz rechten erhalten – für den erwarteten Fall, dass sie nicht bereits im ersten Wahlgang auf die erforderlichen 50 Prozent kommt und in der Stichwahl dann, zwei Wochen später, dem sozialdemokratischen Bürgermeisterkandidaten Roberto Giachetti gegenübersteht. Der gilt nämlich als „Renzianer“. Und in einem haben sich alle politischen Kräfte Roms verschworen, auch solche aus den Reihen der Sozialdemokraten: Sie wollen dem Premier und Parteichef Renzi eins auswischen. Ihn wollen sie „nach Hause schicken“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2016)

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