Israel ignoriert Pariser Nahost-Gipfel

Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu attends the weekly government cabinet meeting in Jerusalem
Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu attends the weekly government cabinet meeting in Jerusalem(c) REUTERS (POOL New / Reuters)
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In Frankreich findet am Freitag die erste Gesprächsrunde über Rahmenbedingungen für einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern statt – ohne die Konfliktparteien.

Jerusalem. Die beiden Konfliktparteien sind nicht eingeladen, wenn die Außenminister aus fast 30 Ländern heute in Paris über einen Neustart der nahöstlichen Friedensverhandlungen beraten. Die Initiative der französischen Regierung zielt auf eine breit angelegte internationale Einigung über Rahmenbedingungen, die Grundlage für künftige direkte Verhandlungen zwischen Israel und der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation). Mit von der Partie sind Vertreter der Arabischen Liga.

Israels Premier, Benjamin Netanjahu, erteilte Frankreich bereits eine klare Absage. „Der Weg zum Frieden führt nicht über internationale Konferenzen.“ Er werde sich nicht mit Fristen unter Druck setzen lassen, kommentierte Netanjahu und rief stattdessen Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas zu bilateralen Gesprächen wahlweise in Jerusalem oder Ramallah auf.

„Zeit ist kein neutraler Faktor“

„Zeit ist kein neutraler Faktor“, heißt es in einem dreiseitigen Dokument aus Paris, das die liberale Tageszeitung „Haaretz“ zitierte. Im Gespräch war zunächst, die Verhandlungen auf zwei Jahre zu begrenzen, denn „ein unbefristeter Ansatz“ berge „permanente Risken einer Eskalation“. Die Initiative kommt knapp zwei Jahre, nachdem direkte Verhandlungen unter Schirmherrschaft von US-Außenminister John Kerry ohne Ergebnis gescheitert sind.

Um die Aussichten auf einen Erfolg zu steigern, setzt die Regierung in Paris auf einen Aktionsplan und internationale Arbeitsgruppen, die sich der Kernpunkte der Konfliktlösung annehmen sollen, darunter des Grenzverlaufs zwischen Israel und dem künftigen Staat Palästina, Israels Siedlungen im Westjordanland, der Frage der palästinensischen Flüchtlinge sowie Jerusalems. Der israelisch-palästinensische Konflikt, so heißt es in dem französischen Arbeitspapier, „treibt radikale Rhetorik und extremistische Gewalt“ im Nahen Osten an.

„Die internationale Konferenz kann den Stillstand lösen“, frohlockte der palästinensische Regierungschef, Rami Hamdallah. Bilaterale Gespräche hätten hingegen „nie etwas erreicht“. Hamdallah setzt auf einen „internationalen Schutzmechanismus“, um der seit fast 50 Jahren andauernden israelischen Besatzung ein Ende zu machen. „Israel ist die letzte Kolonialmacht der Welt.“

Der Regierungschef klagt über „völkerrechtliche Landkonfiszierung“ und „Wasserraub“, über die seit zehn Jahren andauernde Gaza-Blockade und die „Inhaftierung von Kindern“. Seine Zuversicht, dass die französische Initiative neue Chancen für Palästina berge, schöpfe er aus dem im vergangenen Jahr erreichten Iran-Abkommen. „Das ist für uns ein Präzedenzfall“, sagt Hamdallah. „Warum soll so etwas nicht auch für uns möglich sein?“

Parallel zu den französischen Friedensanstrengungen meldete der ägyptische Präsident, Abdel Fatah al-Sisi, Mitte Mai seine Unterstützung für eine friedliche Lösung zwischen Israel und den Palästinensern an und stieß damit in Jerusalem auf überraschend positives Echo. Über Vermittlung von Tony Blair, dem Chef des sogenannten Nahost-Quartetts (USA, EU, UN und Russland), ließ Netanjahu den Ägyptern ausrichten, dass er unverändert nach einer Zweistaatenlösung strebe und „mit Abstrichen“ bereit sei, über die arabische Initiative aus dem Jahr 2002 zu verhandeln. Darin geht es um eine Anerkennung Israels durch die Arabische Liga im Gegenzug zu einem Abzug aus dem Westjordanland mit eventuellem Gebietsaustausch sowie eine „gerechte Lösung“ für die palästinensischen Flüchtlinge.

Regionale Lösung

Irritation löste in Kairo indes der Einzug der ultranationalen Partei Israel Beteinu in die Koalition und die Ernennung von Avigdor Lieberman zum Verteidigungsminister aus. Lieberman forderte in der Vergangenheit unverblümt die Bombardierung des Assuan-Staudamms. Al-Sisis Angebot „war sehr wichtig und schafft eine echte Gelegenheit“, kommentierte er nun. Der Ex-Außenminister befürwortet seit Jahren eine regionale Lösung, nicht zuletzt, weil er die palästinensische Führung für unfähig hält, einen bilateralen Vertrag umzusetzen. „Eine umfassende Einigung mit der moderaten arabischen Welt ist es, die uns eine Lösung für die Palästinenserfrage bringen wird.“

AUF EINEN BLICK

Friedensinitiative. Zwei Jahre nach dem Scheitern einer Friedensinitiative des US-Außenministers John Kerry unternimmt Frankreich einen neuen Vorstoß, den Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern wieder in Gang zu bringen. In Paris nehmen 20 Staaten an einer ersten Gesprächsrunde teil. Israel und die Palästinenser sollen in einer zweiten Runde dazukommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2016)

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