Streit China-Japan: Gefährliche Muskelspiele im Pazifik

A group of disputed islands, Uotsuri island , Minamikojima and Kitakojima, known as Senkaku in Japan and Diaoyu in China is seen in the East China Sea
A group of disputed islands, Uotsuri island , Minamikojima and Kitakojima, known as Senkaku in Japan and Diaoyu in China is seen in the East China Sea(c) REUTERS (KYODO)
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Der Streit zwischen China und Japan wegen einer Inselgruppe hat einen neuen Höhepunkt erreicht: China hat erstmals ein Kriegsschiff in die Region geschickt. Tokio sucht den Schulterschluss mit den USA.

Tokio. Im Morgennebel tauchte die Fregatte der chinesischen Volksmarine aus dem Dunst der Inselkette im Ostchinesischen Meer auf. Japans Küstenwache löste sofort Alarm aus, aber dem Verteidigungsministerium war das kleine Patrouillenboot als Abschreckung zu wenig. Es schickte einen Zerstörer, um den „Eindringling“ zu vertreiben. Es dauerte immerhin über drei Stunden, bis die Chinesen den Motor abdrehten. Der Pekinger Botschafter wurde umgehend ins Auswärtige Amt bestellt. Dabei räumte selbst die Marine ein, das chinesische Kriegsschiff habe sich streng genommen noch gar nicht in Japans Territorialgewässern befunden.

Viel militärpolitischer Aufwand also, der nur damit zu erklären ist, dass im Ostchinesischen Meer wieder einmal gezündelt wird: Nie zuvor hat es China gewagt, ein Kriegsschiff in die umstrittene Zone zu entsenden, bisher beschränkte man sich auf Boote der Küstenwache. Zu allem Überfluss kreuzten in der gefährlichen Region noch drei russische Marineschiffe auf, was Japan zu der Annahme bringt, es handle sich um eine konzertierte Aktion von Peking und Moskau.

Japan setzten USA als Druckmittel ein

Der jüngste Vorfall stellt eine weitere Eskalation des seit Jahren andauernden Inselstreits dar: An eine länderübergreifende Kooperation ist derzeit überhaupt nicht zu denken. Noch nicht einmal auf den Namen der Inselkette kann man sich einigen. Japan nennt die Inselkette Senkaku, China bezeichnet sie als Diaoyu. Formell stehen die felsigen, zwar weitgehend unbewohnten, aber von reichen Fischgründen und Rohstoffvorhaben umgebenen Eilande unter japanischer Kontrolle. Tokio hat dies mit dem Trick erreicht, dass die Regierung 2012 drei Inseln einfach aus privater Hand gekauft und zum nationalen Eigentum erklärt hat.

(c) Die Presse

Seither agieren die Chinesen aggressiv, selbst bei scheinbar harmlosen Anlässen. Als Peking beim G7-Gipfel in Japan zu einer friedlichen Beilegung der Territorialstreitereien aufrief, bestellte China aus Protest den Botschafter Japans ein.

Tokio sucht den engen Schulterschluss mit den USA. Japans Regierung versucht, Washington als Druckmittel in diesem Konflikt aktivieren. Und genau das ist so gefährlich: Käme es – durch Kalkül oder auch nur aufgrund von Leichtfertigkeit – zum Konflikt, stünden sich im westlichen Teil des Stillen Ozeans die beiden mächtigsten Militärmächte gegenüber. Deren Rivalität beschränkt sich bisher auf einen rhetorischen Schlagabtausch, wie unlängst bei der asiatischen Sicherheitskonferenz in Singapur. Aber die Amerikaner flechten in der Region ein Sicherheitsnetzwerk, das einerseits Peking „fesseln“ soll und andererseits die Dominanz Washingtons sichert.

Die USA sehen sich dort sowohl als globale Schutzmacht als auch als neutraler Vermittler, was streng genommen stimmt. Sie stellen keinerlei Gebietsansprüche und beanspruchen keine Hoheitsrechte.

Brisantes UN-Gerichtsurteil

Gezielt vertiefen die USA derzeit ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den Regionalmächten Japan und Australien, aber auch zu wichtigen Randstaaten wie den Philippinen, Indien und selbst zum früheren Kriegsgegner Vietnam. Damit diese Strategie aufgeht, will Washington die chinesische Führung hinter einer „großen Mauer der Selbstisolation“ ausgrenzen. Isolieren soll sich China selbst, weil es aufgrund seiner aggressiven Politik in der Region bei diesem Bündnis keinen Platz erhält. Denn nicht nur im Ostchinesischen Meer und im Streit mit Japan geht Peking zu anderen Staaten auf Konfrontationskurs. Im Seegebiet des Südchinesischen Meers lässt es Riffe mit Sand aufschütten und baut darauf militärisch nutzbare Einrichtungen. In beiden Regionen droht zudem die Gefahr, dass China sie als Luftverteidigungszonen deklariert, was automatisch zu Konfliktsituationen führen würde.

Alle China-Gegner setzen nun auf den Spruch eines UNO-Schiedsgerichtes, das über eine philippinische Klage im Territorialstreit demnächst entscheiden soll. Das KP-Regime in Peking hat bereits erklärt, dass es das Verfahren nicht akzeptieren wird. Aber fällt das Urteil gegen die Chinesen aus, spitzt sich der Konflikt weiter zu: Andere Staaten werden dem Beispiel Manilas folgen und vor Gericht ziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2016)

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