Der geheimnisvolle Syrer, der „Einsame Wölfe“ zum Terror inspiriert

Adnani
Adnani(c) Wikipedia
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Adnani ist der Sprecher der IS-Miliz. Aber nicht nur. Der Syrer leitet auch die „Externen Operationen“. In ihm vereint sich die Doppelstrategie der Terroristen gegen den Westen.

Wien/Orlando. Gut 20 Tage vor dem Blutbad in Orlando hallte seine Stimme wieder über die Audiokanäle der Terrormiliz Islamischer Staat (IS): 29 Minuten dauerte die Botschaft, in der Abu Mohammed al-Adnani in geschliffenem Arabisch sein pervertiertes Islam- und Weltbild ausbreitet, die IS-Gebietsverluste kleinredet, und zu Anschlägen im Fastenmonat Ramadan aufruft. Vor allem aber versuchte der Syrer, letzte Gewissensbisse potenzieller IS-Massenmörder im Westen zu zerstreuen: „Wir wurden informiert, dass einige von euch nicht in der Lage sind, militärische Ziele in ihren Ländern anzugreifen und Bedenken haben, gegen sogenannte Zivilisten vorzugehen.“ In den Ländern der „Kreuzzügler“ gebe es aber so etwas wie Unschuldige nicht, so Adnani.

Omar M. hat dem IS kurz vor dem Massenmord im „Pulse“-Club von Orlando seine Treue geschoren, der IS ihn danach als seinen „Krieger“ gewürdigt. Noch ist ungewiss, ob M. mit der Terrormiliz jemals in direktem Kontakt stand, gar Befehle empfing – oder sich selbst radikalisierte und mit den IS-Botschaften über das wirkmächtigste Propagandainstrument der Terroristen in Berührung kam: das Internet. In beiden Fällen würde Adnani eine Rolle spielen.

Auftraggeber des Paris-Terrors?

Denn der Syrer ist mehr als die Stimme des Terrors. In ihm vereint sich die Doppelstrategie des IS gegen den Westen: Einerseits „einsame Wölfe“ ohne direkten IS-Kontakt zu Anschlägen auf den Westen animieren, andererseits selbst Anschläge orchestrieren, Kommandonetzwerke nach Europa entsenden, die dann koordiniert zuschlagen. Wie im November in Paris. Mohammed Abaaoud, als Drahtzieher der Paris-Anschläge überschätzt, soll den Auftrag zum Terror in Frankreich von Adnani erhalten haben. Auch Salah Abdeslam, der verhinderte Attentäter in Paris, nannte Berichten zufolge Adnanis Namen in Verhören – ohne ihn persönlich gekannt zu haben.
Gewissheiten gibt es mit Blick auf die klandestine IS-Führung zwar nicht. Mehreren internationalen Berichten zufolge leitete Adnani aber die „Externen Operationen“ des IS, also die Planung von Anschlägen.
Die Biografie Adnanis ist so unscharf wie die Propagandabilder, die von dem redseligen Jihadisten kursieren und ihn meist mit Kalaschnikow in der Hand und schwarzer Mütze vor ebenso schwarzen IS-Fahnen zeigen. Nach Angaben des US-Außenministeriums ist Taha Sobhi Falaha – der bürgerliche Name des IS-Terroristen – vor 39 Jahren im Nordwesten Syriens nahe Aleppo geboren. Er dürfte damit der einzige Syrer in der IS-Führungsspitze sein.

Als einer der ersten ausländischen Jihadisten schloss er sich dem al-Qaida-Aufstand gegen die US-Truppen im Irak an. 2005 wurde er verhaftet, 2010 freigelassen. Es ist eine auffallende Parallele zur Vita des IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi, der auch in einem Gefängnis im Irak saß. 2014 ist es Adnanis Stimme, die das „Kalifat“ verkündet und Muslime zum Treueschwur auf Baghdadi aufruft. Terrorexperte Michael Weiss meinte im Dezember, nicht Baghdadi sondern Adnani könnte das Topziel der USA sein. Denn der gebildete Syrer, der Rekruten in Jihadistencamps in „Theologie und Recht“ unterwiesen haben soll, füllt neben der Rolle des IS-Sprechers und mutmaßlichen Leiters der Externen Operationen noch eine dritte Aufgabe aus: Er leitet den syrischen Teil des IS-Gebiets. Fünf Millionen Dollar bieten die USA für seinen Kopf. Im Jänner soll er einen US-Luftangriff im Westirak schwer verletzt überlebt haben.

Dass seine Terrormiliz in die Defensive geraten ist, macht sie für den Westen vorerst noch gefährlicher. Ein großer Anschlag würde die Gebietsverluste überdecken. In seiner jüngsten Botschaft rät Abdani daher Jihadisten im Westen indirekt ab, in das „Kalifat“ aufzubrechen. Die „kleinste Handlung“, die sie im Herzen ihrer Länder setzen, sei mehr Wert als jede Aktion auf IS-Gebiet, erklärt die Stimme des Terrors.

(strei)

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