Lafontaine: "Und sag schöne Grüße vom Oskar!"

(c) Reuters (JOHANNES EISELE)
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Auf Wahlkampftour mit dem Chef der Linkspartei, Oskar Lafontaine, der im Saarland Ministerpräsident werden will. Um das Wahlprogramm der Linken geht es bei dieser Tour überhaupt nicht, vielmehr um Oskar, die Person.

Ich bin nicht mit allen per Du, aber ich duze jeden, den ich kenne.“ Wenn Oskar Lafontaine (65) seinen Wahlkampfspaziergang durch Saarbrücken macht, dann trifft er lauter alte Bekannte, de facto ist kein Sie zu hören. Als langjähriger Bürgermeister und Ministerpräsident des Saarlandes – damals SPD – ist Oskar eine fixe Größe, er braucht nicht einmal einen Nachnamen. „Oskar wählen“, so simpel lautet denn auch die Aufforderung auf den Wahlplakaten der Linkspartei.

Hier werden Hände geschüttelt, da Schultern geklopft. Bald setzt sich Oskar auf einen Moment in dieses Café, bald in jenes. Und vor allem wird geknipst: „Eine kleine Erinnerung gefällig?“ – schon spuckt die Sofortbildkamera ein Foto von Lafontaine an der Seite einer jungen Mutter mit Kind aus, das dieser, den Stift stets gezückt, signiert. Zwei Fotografen hat der Linken-Chef im Schlepptau, seit Jahrzehnten ist er mit der Polaroid unterwegs. Der persönliche Kontakt zu den Wählern steht bei dem Internetmuffel, so die Eigendefinition, im Vordergrund.

Selbst der Hund kriegt ein Foto

Die Menschen sollen etwas mitnehmen, aber nicht etwa politische Inhalte. Um das Wahlprogramm der Linken geht es bei dieser Tour durch die Saarbrückener Innenstadt überhaupt nicht, vielmehr um Oskar, die Person. Im hellblauen, kurzärmeligen Hemd, unermüdlich unterwegs. Oskar mit Kind, Oskar mit Mops („Das Foto ist für den Hund“ – für die Katz' ist es sicher nicht), Oskar mit Migranten, Oskar mit Knackwurst, Oskar mit dem Obstverkäufer, bei dem er schon vor 30 Jahren eingekauft hat. Was jener prompt mit einem Foto von damals belegt.

Die kleine Anna hat zwar schon einen FDP-Luftballon in der Hand, „aber den zerstören wir gleich“, scherzt Lafontaine. Ihr Vater hat Oskar schon gewählt, „als er noch in der SPD war“. Die Person findet er „gut, die Partei nicht“. Umso logischer erscheint es, dass Lafontaine hier, quasi losgelöst von der Linken, auftritt, ohne Wahlgeschenke, ohne Logo. Schon wieder ein Kind, auf das er sich stürzt: „Gib das Foto dem Papa – und sag schöne Grüße vom Oskar!“

Berufswunsch: König

„Ich wollte als Junge immer König werden“, gesteht der langjährige Politiker unumwunden: Wie ein Ortskaiser zieht Lafontaine durch die Fußgängerzone rund um den St.Johanner Markt, die auf seine Initiative als Bürgermeister zurückgeht. Zu jedem Haus hat er etwas zu erzählen, es geht um Architektur, um Geschäfte und die Einkäufe der Menschen, die ihm begegnen. Nur zu den Journalisten, die ihm bei seiner Tour nachdackeln, macht er gelegentlich eine politische Bemerkung.

Erst am Nachmittag, beim Sommerfest der Linken in einem Arbeiterbezirk von Saarbrücken, wird Lafontaine deutlicher. „Die Linke hat die Politik an der Saar aufgemischt und macht diese Wahl spannend.“ Frei und zügig spricht er, der geborene Redner, und lässt an der Regierung von CDU-Ministerpräsident Peter Müller kein gutes Haar. „Müller hat nichts vorzuweisen“, poltert Lafontaine, während die Zuhörer „Oskar, Oskar“ skandieren. „Der Mann hat nichts geleistet und gehört deshalb abgelöst.“ Schnell redet sich Lafontaine in Rage, wenn es um die CDU geht.

Energie und Erfahrung

„Energie und Erfahrung“, heißt es auf den Plakaten der Linken, die in der Fischerhütte am Waldweiher verteilt werden. Lafontaine verkörpert beides. Er kennt die Themen, die die Saarländer bewegen: Vom Bergbau spricht er, von erneuerbarer Energie, Arbeitsplätzen, der Rente, gleichen Bildungschancen für alle und „menschenunwürdigen Ein-Euro-Jobs“. Die Arbeitnehmer müssen entlastet, Reiche stärker besteuert werden. „Die großen Vermögen der Firmen wurden nicht von irgendwelchen Tanten und Onkels erarbeitet!“

Der Jubel kennt keine Grenzen. „Nehmt diese Stimmung mit, und legt noch eine Schippe drauf!“, lautet die Aufforderung.

Lafontaine verfolgt das Ziel, eine erste rot-rote Koalition auf Landesebene außerhalb der ehemaligen DDR zu bilden. „Die größte Überschneidung gibt es mit der SPD. Also streben wir eine Zusammenarbeit an.“ Ministerpräsident könnte SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas werden – oder, falls die Linke stärker wird als die Sozialdemokraten, Lafontaine selbst. Politische Beobachter munkeln freilich, dass er das Amt in Wirklichkeit gar nicht noch einmal anstrebt, sondern primär der Linken insgesamt, vor allem im Westen, Auftrieb verschaffen will.

Die Linke, 2007 aus der WASG und der PDS hervorgegangen, ist inzwischen in allen ostdeutschen und vier westdeutschen Landtagen vertreten, ihrer Mitgliederzahl nach ist sie drittstärkste Partei des Landes. Von der Wirtschaftskrise konnte sie allerdings nicht wie erwartet profitieren, bei der Europawahl reichte es nur für 7,5 Prozent. Zuletzt gab es Kritik an der Ausrichtung unter Lafontaine und Austritte prominenter Mitglieder.

Feiern in der Fischerhütte

In der Fischerhütte ist von Disharmonie freilich nichts zu spüren. Hier setzen alle auf das Zugpferd Lafontaine, es wird fröhlich gefeiert. Der Eintritt ist frei, Speisen und Getränke gibt es „zu sozialen Preisen“. Nach der Rede werden Schnulzen gespielt, Oskar mischt sich unters Volk. Und es wird wieder eifrig geknipst. Auch die Korrespondentin der „Presse“ zieht der Parteichef vor die Kamera. „Falls wir zwei einmal heiraten“, meint er, „muss ich höhere Absätze tragen.“ Seine – vorläufig dritte – Ehefrau wird sich freuen.

AUF EINEN BLICK

Die Linkspartei entstand vor zwei Jahren durch den Zusammenschluss der Linkspartei.PDS (hervorgegangen aus der DDR-Einheitspartei SED) mit der WASG, einer Vereinigung aus einem abgespaltenen SPD-Flügel und SPD-kritischen linken Gewerkschaftern. Der Saarländer Lafontaine versucht die Linke auch im Westen immer stärker zu etablieren. Am 30.8. finden im Saarland Landtagswahlen statt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2009)

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