Warum Spanien keine Koalition zustande bringt

Die traditionellen Großparteien, Volkspartei und Sozialisten, versuchten monatelang ohne Erfolg, eine Mehrheit zu schmieden. Nun droht erneut eine Hängepartie – denn die Differenzen bleiben.

Spanien droht sich im Kreis zu drehen: Nach der Parlamentswahl am Sonntag zeichnet sich ein ähnlicher Albtraum ab wie nach dem Dezember-Votum. Laut Umfragen wird wieder keine Partei genug Stimmen haben, um allein zu regieren. Die mühsame Partnersuche beginnt also von Neuem. Hier die weiterhin vorhandenen Knackpunkte, an denen die Regierungsbildung scheiterte:


Große Koalition. Die Sozialisten (PS) lehnten es ab, mit der stimmenstärksten Partei, den Konservativen, eine große Koalition zu bilden. Die PS befürchtet, als Juniorpartner, ähnlich wie die Pasok in Griechenland, in der Versenkung zu verschwinden. Dass ein solches Bündnis nicht zustande kam, liegt auch an der Politkultur des Landes: Spanien hat keine Erfahrung mit Koalitionen, seit Ende der Franco-Diktatur 1975 wurde das Land abwechselnd von der „Rechten“ (Volkspartei) und der „Linken“ (Sozialisten) regiert. Ein Bündnis der verfeindeten Lager galt bisher als unvorstellbar – ganz in der Tradition des Bürgerkrieges.


Problem Rajoy. Mit dem amtierenden, konservativen Premier Mariano Rajoy (61) will sich ohnehin niemand zusammentun (siehe Artikel links), nicht einmal die der Volkspartei (PP) ideologisch nahestehende Ciudadanos. Alle Parteien, inklusive der Zentrumspartei, sehen in Rajoy die Verkörperung der von Korruption und Misswirtschaft verdorbenen alten Garde. Ciudadanos hat sogar eine Liste von möglichen PP-Chefs vorgelegt, mit denen sie kooperieren könnten. Auch innerhalb der Konservativen mehren sich die Stimmen, die den Rücktritt Rajoys fordern. Der weigert sich aber vehement, zu gehen.


Die katalanische Frage. Der Umgang mit dem separatistischen Katalonien war wohl der schwierigste Punkt der Koalitionsverhandlungen. Am rebellischen Katalonien scheiterte die Bildung einer Links-Regierung. Denn als einzige „spanische“ Partei befürwortet die linksradikale Podemos ein Unabhängigkeits-Referendum in der Region. Die basisdemokratische Podemos denkt nicht daran, ihre Position zu ändern. Für Sozialisten, Ciudadanos und vor allem der Volkspartei würde dies gegen verfassungsrechtliche Prinzipien verstoßen. Eine Abstimmung fordern die separatistische Regionalregierung in Barcelona sowie 80 Prozent der Katalanen.
Wirtschaftspolitik. Und freilich spaltet die Wirtschaftspolitik die Parteien: Podemos setzt auf eine radikale Abkehr vom Sparkurs, will Steuern für Besserverdienende drastisch erhöhen und Finanztransaktionen besteuern, was die Sozialisten zum Teil und Ciudadanos sowie Volkspartei gänzlich ablehnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2016)

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