„Kosovo bei Serbien ist böser Traum“

Kosovo´s President Hashim Thaci
Kosovo´s President Hashim Thaci (c) REUTERS (POOL)
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Der Präsident des Kosovo, Hashim Thaçi, über Aussagen des FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Nobert Hofer, die Rückkehr serbischer Flüchtlinge und das Problem des Jihadismus.

Die Presse: Sie waren unlängst das erste Mal in Ihrer neuen Funktion als Präsident des Kosovo in Wien . . .

Hashim Thaçi: Ja, ich hatte ein sehr gutes Gespräch mit Bundespräsident Heinz Fischer. Wir haben über den Weg des Kosovo in Richtung EU-Mitgliedschaft gesprochen, Visumliberalisierung und den Dialog zwischen Serbien und dem Kosovo. Ich hatte immer sehr gute Beziehungen zu Österreich – in allen meinen bisherigen Ämtern.

Von Österreichs Politikern kommen aber unterschiedliche Signale: Der Präsidentschaftskandidat der FPÖ, Norbert Hofer, sagte, aus seiner Sicht sei der Kosovo nach wie vor Teil Serbiens. Bereitet Ihnen das Sorge?

Es ist ein böser Traum, wenn jemand denkt, dass der Kosovo Teil Serbiens sei. Der Kosovo ist unabhängig und ein souveräner Staat.

Neben Serbien und Russland erkennen aber auch einige EU-Länder die Eigenstaatlichkeit des Kosovo nach wie vor nicht an.

International wurde der Kosovo bisher von mehr als 100 Staaten anerkannt und ist Teil vieler internationaler Organisationen. Wir sind auf einem guten Weg in Richtung Nato- und EU-Mitgliedschaft. Wir haben konstruktive Beziehungen zu allen unseren Nachbarn – sogar zu Serbien. Und ich weiß: Österreich und die meisten seiner Politiker erkennen die Unabhängigkeit des Kosovo an.

FPÖ-Kandidat Hofer hat bei der Bundespräsidentenwahl fast 50 Prozent erhalten, und seine Partei liegt in Umfragen weit vorn. Fürchten Sie, dass Österreich irgendwann die Politik gegenüber dem Kosovo ändern könnte?

Ich will mich nicht in die internen Angelegenheiten Österreichs einmischen und mich für die eine oder andere Partei aussprechen. Aber wie auch Bundespräsident Fischer in unserem Gespräch klargestellt hat, ist Südosteuropa für Österreich sehr wichtig. Viele Österreicher haben sehr intensiv für diese Region gearbeitet: vom ehemaligen Außenminister Alois Mock über Erhard Busek bis hin zu Spitzendiplomaten wie Wolfgang Petritsch, Albert Rohan, Valentin Inzko und Ulrike Lunacek vom EU-Parlament. Die österreichische Führung war der anderer Länder hier immer einen Schritt voraus und hatte eine Vision für Südosteuropa. Denn Österreich kennt den Balkan sehr gut.

In Belgrad muss nun eine neue Regierung gebildet werden. Was erwarten Sie von ihr?

Wir erwarten, dass auch die neue serbische Regierung den von der EU vermittelten Dialog mit dem Kosovo fortsetzen wird. Wir erwarten, dass alle Abkommen, die wir bis jetzt erzielt haben, umgesetzt werden: etwa über den neuen Verband serbischer Gemeinden.

Zuletzt gab es im Kosovo Kritik an einer besonderen neuen serbischen Gemeinde, und zwar am Projekt Sonniges Tal (siehe Bericht unten). Dabei sollen im serbisch kontrollierten Nordkosovo Serben angesiedelt werden, die einst aus dem Kosovo fliehen mussten. Warum haben Sie damit ein Problem?

Ich rufe alle Flüchtlinge dazu auf zurückzukehren. Sie sind Bürger des Kosovo und willkommen. Der Kosovo ist ein Land für alle und nicht nur für eine ethnische Gruppierung. Aber wir werden keine neue Kolonialisierung des Kosovo durch Serbien zulassen.

Warum ist das Kolonialisierung, wenn Flüchtlinge zurückkehren?

Ich habe gesagt: Die Flüchtlinge sind herzlich willkommen. Als Präsident des Kosovo bin ich Präsident aller Bürger. Die Menschen sollen in ihre früheren Wohngegenden zurückkehren. Aber die gezielte Ansiedlung von Serben durch Belgrad im Nordkosovo ist für uns Rekolonialisierung. Diese serbischen Versuche sind sehr gefährlich.


Auch aus dem Kosovo sind zahlreiche Personen nach Syrien und in den Irak gegangen, um für jihadistische Gruppen zu kämpfen. Was tut der Kosovo, um dieses Phänomen zu bekämpfen?

Kein europäisches Land ist hundertprozentig immun gegen dieses Phänomen, bei dem es nicht um religiösen Glauben, sondern um Teilnahme an einer kriminellen Organisation geht. Der Kosovo war eines der ersten Länder der Region, das den Kampf gegen den Terrorismus aufgenommen hat. Wir haben mehr als 100 Personen verhaftet, darunter auch populäre Imame. Und wir haben unsere Gesetze verschärft. In den vergangenen acht Monaten hatten wir keinen einzigen Fall mehr, dass ein Kosovare zum Kämpfen nach Syrien oder in den Irak gegangen ist. 90 Prozent der Kosovaren sind für den Beitritt zur EU und Nato. Und die Kosovaren haben laut der neuen Gallup-Umfrage die weltweit die positivste Einstellung zu den USA. Wir können also gar keine Basis für Fundamentalismus sein.

ZUR PERSON

Hashim Thaçi ist seit April 2016 Präsident des Kosovo. Zuvor hat er über mehrere Jahre hinweg das Amt des Regierungschefs innegehabt. Während des Aufstands gegen Serbien Ende der 1990er-Jahre war Thaçi der politische Direktor der kosovoalbanischen Untergrundbewegung UÇK.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2016)

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