Der Aufstieg des Bürgerschrecks

Podemos leader Iglesias, now running under the coalition Unidos Podemos, talks to reporters during a campaign rally for Spain´s upcoming general election in Madrid
Podemos leader Iglesias, now running under the coalition Unidos Podemos, talks to reporters during a campaign rally for Spain´s upcoming general election in Madrid(c) REUTERS (ANDREA COMAS)
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Pablo Iglesias, Chef der linkspopulistischen Unidos Podemos, hat gute Chancen, der nächste spanische Premier zu werden. Er will den Sparkurs beenden und Besserverdiener zur Kasse bitten.

Madrid. Seine Anhänger bejubelten ihn schon in den vergangenen Tagen mit den Rufen „Regierungschef, Regierungschef“. Es ist tatsächlich nicht mehr ausgeschlossen, dass der 37-jährige Politrebell und Chef der Linksallianz Unidos Podemos in Spanien an die Macht kommt. Der Mann, der die bisherige Sparpolitik beenden und neue soziale Akzente setzen will, beruhigt schon einmal Europa und die Finanzwelt mit dem Satz: „Wenn wir regieren, wird nicht das Chaos ausbrechen.“

Seelenverwandter von Syriza

Alle Umfragen prophezeien, dass Iglesias' Protestbündnis, in das sich auch Grüne und die Kommunisten einreihten, in der Neuwahl am 26. Juni die traditionsreiche Sozialistische Partei überholen und vom zweiten Platz verdrängen wird.

Iglesias, der sich ideologisch auf einer Linie mit Griechenlands Ministerpräsident und Syriza-Chef Alexis Tsipras sieht, liegt in den Erhebungen nur wenige Prozentpunkte hinter dem konservativen Premier Mariano Rajoy. Die konservative Volkspartei wird bei 29 bis 30 Prozent gesehen, Unidos Podemos bei 25 bis 26 Prozent.

Damit verwandelt sich Iglesias in dieser zweiten Wahlrunde zum direkten Herausforderer Rajoys, der um seine Macht fürchten muss. Und der alle anderen Parteien gegen sich hat, weil er durch Korruptionsskandale belastet ist. Deswegen wird damit gerechnet, dass Rajoy – wie schon nach dem ersten Wahlgang im Dezember – im Parlament keine Regierungsmehrheit zusammenbekommt. Das könnte für Iglesias die Chance sein, es im Gegenzug mit der Bildung einer progressiven Regierung zu versuchen.

Wie wortgewaltig der Politologe und frühere Universitätslehrer daherkommt, konnte Spanien im jüngsten Fernsehkandidatenduell erleben. Dort duellierte sich ein locker auftretender Iglesias, der die Mehrheit der jungen Generation hinter sich weiß, mit dem ziemlich altbacken wirkenden Rajoy, der vor allem auf die spanische Pensionisten zählen kann. Und der Polit-Aufsteiger gewann nach den meisten Umfragen.

Iglesias wetterte während der Fernsehdebatte quasi nonstop gegen „die von Brüssel verordnete Austeritätspolitik, die mehr Armut und mehr Ungerechtigkeit“ nach Spanien gebracht habe.

Der Linkspopulist will den Abbau des immer noch hohen spanischen Staatsdefizits verlangsamen. Und er verspricht, Geld in jene Bereiche zu investieren, die unter dem Sparkurs des Regierungschefs am meisten litten: Iglesias fordert für Bildung, Gesundheit, Forschung, Umwelt, saubere Energien und Soziales mehr Finanzmittel. Das Geld will er durch den Kampf gegen Korruption und Steuerbetrug beschaffen – sowie durch neue Lasten für Besserverdienende, Großunternehmen, Banken und Börsenspekulanten.

Iglesias trägt jetzt Krawatten

Das klingt nach Revolution, ist aber in vielen Punkten dem Programm der Sozialisten ähnlich, die laut Umfragen in der Neuwahl mit dem dritten Platz rechnen müssen. Die Sozialisten will Iglesias, der sich selbst als „neuer Sozialdemokrat“ bezeichnet, für eine Koalition gewinnen. Doch einer Zusammenarbeit liegen noch ein paar Brocken im Wege. Vor allem ist den Sozialisten Iglesias' Plan ein Dorn im Auge, der abdriftenden Region Katalonien ein Referendum über die Unabhängigkeit nach schottischem Vorbild zu erlauben. Eine solche Volksbefragung lehnt Sozialistenchef Pedro Sánchez vehement ab. Er bezeichnet sie als verfassungswidrig.

Für alle Fälle übt sich der frühere Bürgerschreck Pablo Iglesias, der als Student in der kommunistischen Jugend und der Antiglobalisierungsbewegung aktiv war, schon einmal in gutem Benehmen. Seine scharfen Verbalattacken sind gemäßigten Tönen gewichen. Er kämmt seinen ziemlich wilden Pferdeschwanz nun stramm nach hinten. Tritt in weißen und blauen Businesshemden auf. Und immer öfter baumelt eine Krawatte an seinem Hals.

AUF EINEN BLICK

Das Wahlbündnis Unidos Podemos – ein Zusammenschluss der linken Protestpartei Podemos und der Vereinigten Linken (Izquierda Unida) – dürfte bei der Parlamentswahl in Spanien am Sonntag zur zweitstärksten Kraft im Land avancieren. Das von Pablo Iglesias geführte linkspopulistische Bündnis will den Sparkurs der konservativen Regierung beenden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2016)

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