Die Außenminister der Gründungsstaaten fordern rasch den offiziellen Austrittsantrag der Briten.
Man respektiere die Entscheidung der Briten, aber jetzt mögen sie den Austritt bitte tatsächlich vollziehen. „Dieser Prozess sollte so bald wie möglich losgehen“, sagte Deutschlands Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, am Samstag in Berlin. Dorthin hatte er seine Amtskollegen aus den europäischen Gründerstaaten – neben Deutschland sind das Frankreich, Italien und Benelux – geladen. Der britische Premierminister, David Cameron, habe den Prozess mit dem Referendum eingeleitet, jetzt müsse er mit den Konsequenzen leben. „Ich hoffe“, meinte Luxemburgs Außenminister, Jean Asselborn, „dass wir hier kein Katz- und Mausspiel machen“.
Es war ein exklusives Format, das da am Samstag tagte. Natürlich ein symbolisches, bei dem die Gründerstaaten das Signal aussenden sollten, „dass Europa lebt“, wie Frankreichs Außenminister, Jean-Marc Ayrault, sagte, und „an den Geist der Gründerväter anknüpfen“ wollten. Gleichzeitig betonte Steinmeier aber, dass er am Sonntag und Montag auch die Außenminister Tschechiens, der Slowakei und der baltischen Staaten treffen werde. Deutschlands Rolle erfordert viel diplomatisches Gefühl. Als größte Volkswirtschaft der EU hat man großes Gewicht – das wird durch den Austritt der zweitgrößten, nämlich Großbritannien, noch größer. Allerdings muss man aufpassen, dass kleinere Staaten sich nicht von einem zu dominanten Deutschland bevormundet fühlen.
Abgesehen vom Druck auf die Briten, das Austrittsverfahren rasch auszulösen, verständigten sich die sechs Außenminister in Berlin aber auch schon auf etwas Inhaltliches für die Zukunft. Dass man nämlich Antworten auf die Fragen der Bevölkerung geben müsse – bei der Migration, bei der Sicherheit vor Terror und natürlich ebenso bei Arbeitsplätzen und Wachstum. Hier gehe es auch darum, auf die Bereitschaft einzelner Mitgliedstaaten einzugehen, wie weit sie bei der EU-Integration gehen wollen.
Also ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, wie es immer wieder herumgeistert? Das gebe es doch ohnehin schon, meinte Belgiens Außenminister, Didier Reynders. Nicht alle EU-Mitglieder seien Teil des Schengen-Abkommens, nicht alle haben den Euro. Nur müsse man eben Wege finden, mit den unterschiedlichen Ambitionsniveaus besser umzugehen. Was die Außenminister eint, ist der Wunsch, dass der Brexit nicht der Auftakt für weitere Abspaltungsversuche ist. Aus einigen Ländern kamen ja bereits Signale – von der rechtspopulistischen niederländischen Partei für die Freiheit, zum Beispiel, oder dem Front National in Frankreich. Am Samstag kündigte auch die rechtsextreme slowakische Volkspartei Unsere Slowakei ein Bürgerbegehren an.
Kurz will Regeln der Briten. Einig waren sich die sechs Außenminister auch darüber, dass die Zugeständnisse, die man den Briten für den Fall des Verbleibs in der Union gemacht hatte, hinfällig seien. Hier wird allerdings ausgerechnet Österreich ausscheren – so hat Außenminister Sebastian Kurz in einer Stellungnahme gefordert, dass man die Regelungen für die Briten nie als Ausnahmeregelungen verstanden habe, sondern als Umsetzungsauftrag für die gesamte EU. Dazu zählt unter anderem die Zahlung von Familienbeihilfe in vollem Ausmaß in das EU-Ausland. Hier brauche es Veränderungen, denn sonst „werden Stimmungen und Entwicklungen, wie sie in Großbritannien stattgefunden haben, auch in anderen Mitgliedstaaten stattfinden“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2016)