Türkei versöhnt sich mit Israel und Russland

Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan.
Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan.(c) REUTERS
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Der türkische Präsident Erdoğan entschuldigt sich in Moskau für Flugzeugabschuss und normalisiert Beziehungen zu Israel.

„Null Probleme mit den Nachbarn“ hatte einst die Strategie des damaligen türkischen Außenministers und späteren Premiers Ahmet Davutoğlu gelautet. Und eine Zeit lang funktionierte diese Politik auch. Die Türkei ging auf alte Rivalen wie Syrien und den Iran zu, nahm freundschaftliche Beziehungen zur Kurdenregion im Nordirak auf. Und man streckte die Fühler in Richtung Kaukasus und Russland aus. Ankara wollte nicht nur auf die Partner im Westen angewiesen sein, denn es zeichnete sich schon ab, dass aus der Mitgliedschaft in der Europäischen Union wohl nichts wird.

Doch nach und nach bröckelte diese Strategie. Ein Grund dafür war der Krieg in Syrien und die Positionierung der Türkei gegen Syriens Machthaber Bashar al-Assad, den der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, zuvor noch als „Bruder“ bezeichnet hatte. Dazu kamen politische Entscheidungen Ankaras, die das Verhältnis zu vielen Ländern erneut verschlechterten. Schließlich wurde die Liste der Staaten, mit der die Türkei Probleme hatte, immer länger. Nun versucht die türkische Führung offenbar, der Gefahr einer zunehmenden Isolation entgegenzusteuern. Dafür soll die Feindschaft mit zwei wichtigen Staaten wieder begraben werden: Israel und Russland.

Abschuss war „keine Absicht“

Am Montag gab der Kreml bekannt, dass der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, in einem Brief an den russischen Präsidenten, Wladimir Putin, sein Bedauern über den Abschuss eines russischen Bombers durch die türkische Luftwaffe im November ausgedrückt habe. Erdoğan habe mitgeteilt, dass das türkische Flugzeug nicht mit Absicht unter Feuer genommen worden sei. Zwei türkische F-16-Kampfflugzeuge hatten die russische Su-24 vom Himmel geholt, während diese in Syrien Angriffe gegen mit der Türkei verbündete turkmenische Rebellengruppen und Dörfer flog.

Ankara behauptete, der russische Bomber habe türkischen Luftraum verletzt und sei vor dem Abschuss gewarnt worden. Entschuldigen wollte sich die türkische Führung zunächst jedenfalls nicht, obwohl bereits damals internationale Experten darauf hinwiesen, die türkische Luftwaffe könnte die Su-24-Maschine irrtümlich für ein syrisches Flugzeug gehalten haben.

Die Eiszeit mit Moskau hat für die Türkei auch wirtschaftliche Auswirkungen: Russland boykottiert die Einfuhr türkischer Landwirtschaftsprodukte. Und russische Touristen, die in den Jahren davor zahlreich gekommen waren, sagten ihren Urlaub in der Türkei ab.

Gleichzeitig will die Türkei nach sechs Jahren diplomatischer Eiszeit auch die Beziehungen zu Israel normalisieren. Heute, Dienstag, soll ein Abkommen zur Beilegung des Streits unterzeichnet werden. Ursprünglich gab es enge Bande zwischen Israel und der Türkei, inklusive militärischer Zusammenarbeit. Erdoğan soll sogar nahe daran gewesen sein, 2008 ein Abkommen zwischen Syrien und Israel über eine Rückgabe der von Israel besetzten Golanhöhen zu vermitteln. Mit dem Gaza-Krieg zerschlug sich alles aber wieder. Erdoğan wurde in seiner Rhetorik gegen Israel immer aggressiver.

2010 rutschte das Verhältnis dann endgültig auf einen Tiefpunkt: Israels Streitkräfte stoppten eine Flottille von Aktivisten, die die Blockade des von der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas beherrschten Gazastreifens durchbrechen wollten. Beim Entern des Schiffes Mavi Marmara töteten die israelischen Soldaten zehn türkische Staatsbürger.

Von der Leyen ist willkommen

Laut türkischen Angaben wird Israel nun 18 Millionen Euro Entschädigung an die Hinterbliebenen zahlen. Zugleich erlaubt es türkische Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Im Gegenzug soll Ankara auf Strafverfahren gegen die an der Erstürmung der Mavi Marmara beteiligten Israelis verzichten.

Und auch an einer weiteren diplomatischen Front will die türkische Regierung offenbar Entspannung signalisieren: Der deutschen Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen, wurde nun zugesagt, die Bundeswehrsoldaten auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik besuchen zu können. Eine Visite des Verteidigungsstaatssekretärs war zuvor blockiert worden – mit dem Hinweis, Besuche deutscher Politiker auf dem Stützpunkt seien „nicht angemessen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2016)

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