Spanien: Eine neue Chance für Mariano Rajoy

Strahlender Sieger: Rajoy mit Ehefrau Elvira Fernández Balboa (l.) und Partei-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal.
Strahlender Sieger: Rajoy mit Ehefrau Elvira Fernández Balboa (l.) und Partei-Generalsekretärin María Dolores de Cospedal. (c) APA/AFP/JOSE JORDAN
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Nach dem überraschenden Wahlerfolg der Konservativen will der bisherige Premier eine Große Koalition bilden. Doch die Sozialisten zögern. Droht wieder ein Patt?

Madrid. Mit diesem Erfolg hatte nicht einmal er selbst gerechnet. Als der konservative Partei- und Regierungschef Mariano Rajoy nach Mitternacht auf den Balkon seiner Parteizentrale in Madrid tritt, ringt er zunächst nach Worten. Dieser bemerkenswerte Wahlsieg seiner Volkspartei und die empfindliche Schwächung der Opposition waren in seinem Redemanuskript nicht vorgesehen.

Alle Umfragen vor der Parlamentsneuwahl, auch die ersten Hochrechnungen am Wahlabend, hatten das Gegenteil prophezeit: Einen starken Linksruck mit der radikalen Unidos Podemos als stärkster Oppositionspartei. Doch dann kam alles ganz anders.

Als sich der 61-jährige Rajoy vor der jubelnden Anhängerschar wieder fängt und eine Siegesrede improvisiert, sprudelt es plötzlich aus ihm heraus: „Wir haben gewonnen, und wir wollen regieren.“ Rajoy verspricht Kompromissbereitschaft, um Spanien endlich aus dem politischen Stillstand herauszuführen. „Wir müssen mit allen sprechen.“ Sein Ziel ist eine Große Koalition. Spanien brauche eine Regierung mit möglichst breiter Unterstützung, erklärte Rajoy.

„Müssen mit allen sprechen“

Rajoy baute zwar seine parlamentarische Macht aus, verfehlte aber wie schon in der ersten Wahlrunde im Dezember die absolute Mehrheit. Nach dem vorläufigen Endergebnis verbesserte sich seine konservative Volkspartei (PP) auf 33 Prozent, in der ersten Wahlrunde im Dezember 2015 hatte sie nur 28,7 Prozent. Damit holte Rajoy 137 Parlamentsmandate, 14 mehr als im Dezember. Die absolute Mehrheit liegt bei 176 der insgesamt 350 Parlamentssitze.

Die Sozialisten, denen ein Absturz vorausgesagt worden war, retteten sich auf 22,7 Prozent Stimmenanteil (2015: 22 Prozent), verlor aber trotzdem fünf Parlamentssitze. Unidos Podemos stabilisierte sich mit 21,1 Prozent (2015: 20,7) als drittstärkste Kraft. Und die liberal-bürgerliche Partei Ciudadanos (C's) blieb bei 13,1 Prozent (2015: 13,9) und verlor acht Mandate. Auch Regionalparteien aus dem Baskenland und Katalonien zogen wieder ins Parlament ein.

Die Mehrheit der spanischen Medien geht davon aus, dass die Stärkung Rajoys in dieser Wahl doch eine neue Dynamik in das Machtringen bringen könnte. Und dass Spaniens politische Blockade vielleicht nun in den nächsten Wochen beendet werden kann. Die Zeitung „El Pais“ mahnte in einem Leitartikel zur Vernunft und schrieb, dass es unverantwortlich wäre, „wenn die großen Parteien durch weiteres Mauern eine dritte Wahlrunde provozierten“. Aus der ersten Parlamentswahl im Dezember war keine mehrheitsfähige Regierung hervorgegangen: Einerseits wollte niemand mit Rajoy, der wegen Korruption am Pranger steht, eine Koalition bilden. Anderseits konnte sich die zerstrittene Opposition nicht auf eine alternative Regierung einigen. Seitdem ist Spanien gelähmt, deshalb musste nun erneut gewählt werden. „Die Spanier geben Rajoy eine neue Chance“, titelte die bürgerliche „El Mundo“. Das konservative Blatt „ABC“ schrieb: „Spanien will, dass Rajoy regiert.“ Die linksliberale „El Pais“ bat die sozialistischen Genossen, Rajoy nicht länger Steine in den Weg zu legen. Die Sozialisten sollten „auf den Auftrag der Wähler hören“ und ermöglichen, dass Rajoy ein Minderheitskabinett bildet.

Sozialistenchef Pedro Sánchez hatte zwar vor der Wahl versprochen: „Wir werden keine konservative Regierung unterstützen.“ Aber ihm sitzen seine mächtigen regionalen Parteibarone im Nacken, deren Mehrheit offenbar lieber Rajoy die Hand reichen will, als mit Podemos das Experiment einer progressiven Regierung zu versuchen. Ob nun Bewegung in die Hängepartie gekommen ist, wird man bald sehen: Am 19. Juli konstituiert sich das neue Parlament. Anschließend muss König Felipe die Parteichefs in den Palast rufen, um die Chancen für eine Regierung auszuloten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2016)

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