Russland: Der liberale Gouverneur und der Geldkoffer

Nikita Belych.
Nikita Belych.(c) REUTERS (MAXIM ZMEYEV)
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Ermittler werfen Nikita Belych Annahme von Bestechung vor. Beobachter zweifeln an dieser Version.

Moskau. Wer schon immer wissen wollte, wie die Übergabe von Geldkoffern funktioniert, für den gibt es nun Bilder. Die Aufnahmen, die der für seine Nähe zu russischen Sicherheitsstrukturen bekannte TV-Kanal Life abspielt, zeigen ein Separee im Restaurant eines Moskauer Luxushotels im Schummerlicht. Auf dem weißen Tischtuch 100-Euro-Scheine in Stapeln. Am Tisch sitzt ein Mann im dunkelblauen Anzug mit konsternierter Miene – auf frischer Tat ertappt.

Der Mann im Anzug ist Nikita Belych, Gouverneur des Gebiets Kirow nordöstlich von Moskau. Er wurde am vergangenen Freitag beim Erhalt von 150.000 Euro Bestechungsgeld festgenommen, erklärte das russische Ermittlungskomitee. Insgesamt habe Belych vom deutschen Unternehmer Juri Sudheimer 400.000 Euro erhalten, die erste Tranche bereits im Mai.

Laut Medienberichten ist Sudheimer in der Forstwirtschaft tätig und stellt Ski her. Das Geld habe er im Gegenzug für die Begünstigung bei Investments im Gebiet Kirow bezahlt, heißt es seitens der Ermittler. Belych selbst bestreitet die Vorwürfe. „Bestechungsgeld habe ich niemals angenommen“, sagte der 41-Jährige. Er habe das Geld zum Wohle des Gebiets verwenden wollen. Belychs Anwalt will die U-Haft seines Mandanten anfechten.

Hohe Aktivität der Ermittler

Der Fall Belych hat in Russland Aufsehen erregt. Zwar kam es zuletzt zu einer Verhaftungswelle gegen hochrangige Beamte: Der Bürgermeister der Großstadt Wladiwostok, Igor Puschkarew, wurde wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet, ebenso wie zwei hochrangige Mitarbeiter des Energieunternehmens RusHydro. Doch bei Belych sehen Kommentatoren eine politische Dimension. Der Politiker war von 2005 bis 2008 Chef der Union rechter Kräfte und damit Mitstreiter von Boris Nemzow.

2009 ernannte ihn der damalige Präsident, Dmitrij Medwedjew zum Gouverneur. Belych holte den Oppositionellen Alexej Nawalny als Berater in die Gebietshauptstadt Kirow, der jedoch später mit Betrugsvorwürfen und Verfahren eingedeckt wurde. Obgleich sich Belych von der Opposition entfernte, gilt er als Liberaler und Wirtschaftsförderer. Drei Monate vor den Parlamentswahlen könnte die öffentlichkeitswirksame Aktion dazu dienen, politische Alternativen unter den Wählern zu diskreditieren. Belychs Ex-Mitstreiter Leonid Gosman sagte zu „Wedomosti“, dass er dem Beamten diese „fantastische Dummheit“ – Geldübergabe im Restaurant – nicht zutraue. „Spenden“ von Unternehmern zur Restaurierung öffentlicher Einrichtungen sind in russischen Regionen durchaus üblich. Meistens wird dies über entsprechende Stiftungen abgewickelt. Was im Restaurant passierte, werde hoffentlich ein „offener Prozess mit klaren und verständlichen Beschuldigungen“ zeigen, sagte Alexej Nawalny zur U-Haft seines Exchefs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2016)

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