Telefonat der Präsidenten, Treffen der Außenminister.
Ankara/Moskau/Jerusalem. Der Kreml betonte zwar, die Differenzen mit Ankara könnten nicht innerhalb weniger Tage ausgeräumt werden. Doch nach der offiziellen Entschuldigung der Türkei für den Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs im November, der zu einer absoluten Funkstille und zu Sanktionen geführt hatte, versuchen die Regierung in Ankara und Moskau im Eiltempo, die Beziehungen zu normalisieren.
Für heute kündigte Russland ein Telefonat der Präsidenten an – ein Gespräch Recep Tayyip Erdoğans mit Wladimir Putin, der seinen Widerpart mit schweren Vorwürfen überschüttet hatte. Zugleich wollen sich die Außenminister Mevlut Cavusoğlu und Sergej Lawrow offenbar auf russische Initiative in Sotschi am Schwarzen Meer treffen.
Russland wertete den Brief Erdogans an Putin als „sehr wichtigen Schritt“. Der türkische Präsident hatte darin sein Bedauern gegenüber der Familie des getöteten russischen Piloten zum Ausdruck gebracht. Binali Yildirim, der türkische Premier, hatte zuvor sogar eine Entschädigungszahlung an Russland in Aussicht gestellt, das Angebot später aber wieder zurückgenommen.
Kritik in Israel
In Israel sorgt die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit der Türkei bei Kritikern derweil für Kopfschütteln. Nicht nur hat Erdoğan kürzlich in Istanbul den Hamas-Chef empfangen.
Die Regierung in Ankara hat zudem eine Hilfslieferung für den Gazastreifen ausverhandelt sowie eine Kompensationszahlung in der Höhe von 20 Millionen Dollar für propalästinensische Aktivisten, die bei der Kommandoaktion der israelischen Marine gegen eine Hilfsflotte vor sechs Jahren ums Leben gekommen waren.
Noch vor Ende des Ramadan in der nächsten Woche soll eine erste Hilfslieferung im Hafen von Ashdod eintreffen. Die Zeitung „Jediot Acharonot“ fasste die Stimmung in der Schlagzeile zusammen: „Aussöhnung oder Aufgabe?“ (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2016)