Um Nato-Partner Österreich wird es einsamer

Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil.
Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil.(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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Die militärische Kooperation unter neutralen EU-Staaten soll abgenommen haben. Verteidigungsminister reist am Freitag zum Nato-Gipfel nach Warschau.

Wien. Vertreter des Bundesheers haben zuletzt in Wien konstatiert, dass die militärische Zusammenarbeit mit Finnland und Schweden praktisch zum Erliegen gekommen ist. Die beiden Länder hätten nun eben andere Sicherheitsinteressen, hieß es. Der Klub der auf dem Papier sechs neutralen EU-Mitglieder ist damit gefühlt noch einmal kleiner geworden. Es bleiben Österreich und drei Inselstaaten – Malta, das mit dem Nato-Land Türkei verfeindete Zypern und Irland.

In Wien ist eine Aufweichung der Neutralität derzeit kein Thema, auch keine vertiefte Partnerschaft, wie sie Schweden und Finnland mit der Allianz eingegangen sind. Auch ein Beitritt zum Framework Nations Concept, einer Kooperation im Bereich Verteidigungsfähigkeiten, hat keine Priorität. Deutschland lud Österreich als erstes Nicht-Nato-Land dazu ein. Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil wird am Freitag dennoch nicht mit leeren Händen nach Warschau reisen: Sein Ressort hat auf Nato-Anfrage zugesagt, sich am Aufbau der Verteidigungsstrukturen in Jordanien zu beteiligen. Mehrere Experten könnten Soldaten ausbilden, aber auch bei der Minenräumung unterstützen. Das Wüstenkönigreich Jordanien ist der letzte Stabilitätshort in der Unruheregion im Nahen Osten – und spielt deshalb auch in der Flüchtlingskrise eine gewichtige Rolle. Doskozil sieht in der Nato einen Partner zur Bekämpfung der Migrationsströme. Kriegsschiffe des Bündnisses sind in der Ägäis zur Überwachung von Schlepperrouten stationiert. Die Nato plant nun, die Mission als Ergänzung der EU-Marinemission Sophia auf das zentrale Mittelmeer auszudehnen, also dorthin, wo die Route über Libyen verläuft.

Auf dem Gipfel wird jedenfalls eine EU-Nato-Erklärung abgegeben, die wegen des Brexit noch an Bedeutung gewinnt. Zu den möglichen künftigen engeren Kooperationsfeldern zählen etwa hybride Kriegsführung und die Abwehr von Cyber-Angriffen, ein Feld, in dem Österreich schon jetzt eng mit der Nato zusammenarbeitet. Schon 1995 wurde die Partnerschaft für den Frieden zwischen Österreich und dem Verteidigungsbündnis vereinbart. Sie erstreckt sich bis zum Hindukusch: Österreich ist an der „Resolute Support“-Mission zur Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte beteiligt, der Einsatz dürfte auf dem Gipfel über 2017 hinaus verlängert werden. An dem Treffen nimmt auch Doskozil ein. Österreich stellt derzeit sechs Offiziere und drei Unteroffiziere in Afghanistan.

Das Herzstück der Kooperation zwischen Nato und Österreich liegt auf dem Westbalkan, wo Österreich im Kosovo mit rund 500 Soldaten die meisten Truppen eines Nicht-Nato-Mitglieds stellt. Stabilität auf dem Westbalkan liege im beidseitigen Interesse, teilte das Verteidigungsministerium mit. In der Region gibt es bekanntlich auch ein wachsendes Problem mit Jihadismus.

„Schöner Erfolg für Österreich“

Auf dem zweitägigen Gipfel in Warschau wird aller Voraussicht nach auch die „Protection of Civilians“-Politik angenommen. Österreich und Norwegen brachten die Initiative auf den Weg. Sie soll neue Maßstäbe beim Schutz von Zivilisten setzen. Der Beschluss wäre „ein schöner Erfolg für Österreich“, sagt Österreichs Botschafter bei der Nato, Jürgen Meindl. (strei)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2016)

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