Bereits drei Mal hat die Armee in der modernen Geschichte der Türkei geputscht.
Wien/Ankara. Das Militär in der Türkei hat oft drastische, abschreckende, blutige und symbolische Maßnahmen ergriffen, um die kemalistisch-säkularen Prinzipien der Republik aufrecht zu erhalten. Die Geschichte der modernen türkischen Republik ist auch eine Geschichte der Armee: Erstmals haben die Militärs im Mai 1960 den Ministerpräsidenten Adnan Menderes abgesetzt, der sich entgegen der laizistischen Ausrichtung des Staates eine Islamisierung herbeiwünschte. Menderes wurde gehenkt, das Militär hatte über ein Jahr lang die Zügel in der Hand.
Nur ein Jahrzehnt später, als sich linke und rechte Gruppierungen regelrechte Straßenschlachten lieferten, zwang die Armee im März 1971 Ministerpräsident Süleyman Demirel zum Rücktritt. Die Generäle warfen ihm vor, die eskalierende Lage nicht unter Kontrolle halten zu können. Aber gegen die ideologischen Kämpfe, und auch gegen die aufkeimende kurdische Freiheitsbewegung konnte dieser Putsch kaum etwas anhaben. Im Gegenteil: Die stetige Armeepräsenz heizte die Stimmung auf, für oppositionelle Gruppen ist die repressive Armeemacht ebenfalls ein Feindbild geworden.
Im September 1980, beim bislang letzten Putsch in der Türkei, stand erneut Demirel an der Spitze des Staates. Die Beziehung zwischen Demirel – er war während seiner politischen Karriere sieben Mal Ministerpräsident – und der Armee war durchwegs konfliktgeladen.
Der Putsch unter General Kenan Evren 1980 hat tiefe Wunden in der türkischen Gesellschaft hinterlassen: Zahllose Regimegegner, Journalisten, Kurden, Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivisten wurden gefoltert oder sind spurlos verschwunden; erst vor kurzem hat eine zögerliche Aufarbeitung dieser Zeit begonnen. Die von den Militärs stets verdrängte islamisch-konservative Schicht hat den Aufstieg Recep Tayyip Erdoğans begründet.
(duö)