Der IS gebe instabilen Personen ein ideologisches Rüstzeug, sagt Frankreichs Premier Manuel Valls.
Der Attentäter von Nizza hat sich womöglich erst kurz vor seiner Tat dem radikalen Islam zugewandt. Bei den Ermittlungen sei herausgekommen, "dass sich der Attentäter sehr schnell radikalisiert hat", sagte Frankreichs Premier Manuel Valls. Innenminister Bernard Cazeneuve rief indes am Samstag alle willigen "patriotischen Bürger" zum Reservedienst bei den Sicherheitskräften auf.
Die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) rufe auch gezielt Einzeltäter, "die unseren Geheimdiensten unbekannt sind", zu Anschlägen auf, sagte Valls der Sonntagszeitung "Journal du Dimanche". Zudem gebe der IS instabilen Personen ein ideologisches Rüstzeug, das ihren Taten einen Sinn verleihe. "Genau das ist wahrscheinlich im Fall von Nizza passiert."
Im südfranzösischen Nizza war ein 31-jähriger Tunesier am späten Donnerstagabend kurz nach dem Feuerwerk zum Nationalfeiertag auf der Strandpromenade mit einem Lastwagen durch eine Menschenmenge gefahren und hatte dabei mindestens 84 Menschen getötet, bevor Polizisten ihn erschossen. Nach jüngsten Angaben vom Samstagabend wurden 303 Menschen verletzt. 121 lagen noch im Krankenhaus, 26 schwebten in Lebensgefahr. Ähnlich wie Valls hatte sich bereits Innenminister Bernard Cazeneuve geäußert. Menschen, die für die Botschaften des IS zugänglich seien, ließen sich für extrem brutale Aktionen gewinnen, ohne unbedingt dafür ausgebildet worden zu sein, sagte Cazeneuve laut der französischen Nachrichtenagentur AFP.
Die IS-Miliz beanspruchte den Anschlag am Samstag für sich. Sie erklärte über ihre Nachrichtenagentur Amak, der Täter sei ein "Soldat des Islamischen Staats". Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht. Der Attentäter war den französischen Geheimdiensten nicht als Islamist bekannt. Er trat lediglich im Zusammenhang mit Kleinkriminalität in Erscheinung und galt zudem als gewalttätig und depressiv.
Fünf Personen in Gewahrsam
Die Polizei nahm bisher fünf Menschen aus dem Umfeld des Täters in Gewahrsam, seine Ex-Frau und vier Männer. Die Frau müsse weitere 24 Stunden in Polizeigewahrsam bleiben, hieß es am Samstag. Zur Identität der vier Männer machten die Behörden keine Angaben. Die Festgenommen gaben nach Angaben aus Polizeikreisen bei den Verhören an, dass sich der Attentäter erst "kürzlich" radikalisiert habe. Allerdings habe der IS dabei anscheinend noch keine Rolle gespielt.
In ganz Frankreich begann am Samstag eine dreitägige Staatstrauer. Am Montag soll es eine Schweigeminute geben. Danach werde die Promenade des Anglais wieder ganz für den Verkehr geöffnet, teilte die Stadt Nizza mit.
Valls äußerte in dem Interview mit der Sonntagszeitung auch die Befürchtung, dass es zu weiteren Anschlägen in Frankreich kommen wird. "Es ist schwer, dies zu sagen, aber es wird weitere Todesopfer geben." Der IS-Radiosender Al-Bayan verbreitete indes am Samstag die Nachricht und drohte westlichen Staaten mit weiteren Anschlägen.
Überlastete Sicherheitskräfte
Um die überlasteten Sicherheitskräfte zu unterstützen, rief Cazeneuve am Samstag "patriotische Bürger" dazu auf, sich als Reservisten zur Verfügung zu stellen. Jeder, der wolle, könne sich dieser operativen Reserve anschließen. Auf diese Truppe, die schnell mobilisierbar sei, könnten die Präfekten je nach Ereignissen und zur Sicherung von Orten und Veranstaltungen zurückgreifen.
Liebe Leserinnen und Leser,
Aus der Opposition kommen massive Vorwürfe an die Adresse Cazeneuves. Die Chefin der rechtspopulistischen Front National, Marine Le Pen, hielt ihm schwerwiegende Versäumnisse beim Schutz der Bürger vor und forderte seinen Rücktritt.wir trauern um die Opfer in Nizza.
Hass, Hetze, einseitiges Pauschalisieren gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen, Religionen oder Rassismus haben hier keinen Platz.
Gleiches gilt für Aufrufe zur Gewalt.
Wir bitten um Verständnis, dass ausschließlich Beiträge berücksichtigt werden können, die sich mit der Thematik beschäftigen.
Bitte beachten Sie unsere Forenregeln: Die-Presse-Digital-Forenregeln
Die Presse Community-Team (mkf)
(APA/dpa/AFP/Reuters)