Europol warnt vor weiteren Einzeltäteranschlägen

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Laut EU-Polizeibehörde setzen die IS-Extremisten zunehmend auf sogenannte einsame Wölfe. Der 17-jährige Zugattentäter von Würzburg soll „von der IS-Propaganda aufgestachelt“ gewesen sein.

München. Während zwei der Anschlagsopfer vom Montagabend noch immer in Lebensgefahr schwebten, warnte Europol am Mittwoch vor weiteren ähnlichen Attentaten. Gerade Aktionen von Einzeltätern seien eine „bevorzugte Taktik der Terrormiliz Islamischer Staat“, befindet die europäische Polizeibehörde in Brüssel.

Für Deutschlands Bundesinnenminister, Thomas de Maizière (CDU), liegt das „Axtattentat“, das ein 17-jähriger Asylwerber am Montagabend in einem Regionalzug bei Würzburg verübt hatte, „im Grenzbereich zwischen Amoklauf und Terror“. De Maizière sagte am Mittwoch in Berlin, der junge Mann habe sich „wohl von der Propaganda des IS aufgestachelt oder inspiriert“ gefühlt, wenn es wohl auch keine unmittelbare „Anleitung“ durch die Jihadisten gegeben habe. So klar scheint die Lage aber noch nicht, denn kurz nach de Maizière ging die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe einen Schritt weiter. Sie übernahm die Ermittlungen wegen des Verdachts, der Täter könnte sogar direkt Mitglied des sogenannten Islamischen Staates gewesen sein.

Das von einer IS-nahen Internetplattform veröffentlichte Video, in dem der 17-Jährige eine „heilige Operation“ sowie das „Töten von Ungläubigen“ ankündigt, wird mittlerweile von den Ermittlern als echt eingestuft.
Die von diversen Medien aufgeworfene Frage, ob der 17-Jährige eine afghanische Herkunft nur vorgespiegelt habe, um auch ganz sicher Asyl in Deutschland zu bekommen, während er womöglich ein aus Pakistan losgeschickter, vorerst „schlafender“ Kämpfer des IS war, wird von Experten für das Attentat als unerheblich eingestuft. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhalten generell alle unbegleitet ankommenden Minderjährigen eine Duldung, um angesichts der besonderen „Verletzlichkeit dieser Personengruppe übereilte aufenthaltsrechtliche Entscheidungen“ – also eine womöglich lebensgefährliche Blitz-Abschiebung – zu vermeiden. Wer diese jungen Leute wirklich sind, das werde anschließend in einem drei- bis sechsmonatigen Gesprächsprozess und danach „durch sehr detaillierte Fragen“ im Asylverfahren erhoben.

Woher kam der Attentäter?

Der 17-Jährige, der Ende Juni 2015 über Passau eingereist war und erst im Dezember seinen Asylantrag gestellt hatte, wäre also zum Zeitpunkt des Anschlags auf jeden Fall in Deutschland gewesen, ob er nun aus Pakistan oder aus Afghanistan stammte. Die Indizien, unter anderem ein Antrag auf Familiennachzug, weisen laut de Maizière auf Afghanistan. Offen bleibt die Frage, wie und wodurch sich der junge Mann trotz offenbar bester Betreuung, Integration und Aussicht auf eine Lehrstelle derart radikalisieren konnte. Das Handy des von Sondereinsatzkräften der Polizei am Montagabend Erschossenen wird noch ausgewertet.

Zwar hätten sich Hinweise auf Verbindungen eingereister Flüchtlinge zum jihadistischen Terror „in den allermeisten Fällen als falsch dargestellt“, sagte de Maizière, aber Hinweise lägen vor, und so könne man auch nicht sagen, es gebe keinen Zusammenhang. Die Ehrenamtlichen, die „in der Flüchtlingskrise Hervorragendes geleistet“ hätten, bat er ausdrücklich: „Lassen Sie sich durch den Vorfall nicht erschüttern in Ihrer für unsere Gesellschaft so wertvollen Arbeit. Machen Sie bitte weiter.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

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