Trump-Fans zürnen über Luzifer, Hillary und Luxus bei Obamas

Trumps Anhänger sind ihm ergeben. Doch am Dienstag erhielt er die meisten Gegenstimmen seit 1976.
Trumps Anhänger sind ihm ergeben. Doch am Dienstag erhielt er die meisten Gegenstimmen seit 1976.(c) APA/AFP/TIMOTHY A. CLARY
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Donald Trumps Spiel mit Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien trifft den Animus seiner Basis.

Cleveland. Dienstagabend, knapp nach 19 Uhr, und in der Quicken-Loans-Arena hat die New Yorker Delegation der Republikanischen Partei Donald Trump mit der Bekanntgabe ihrer Stimmen soeben zum Kandidaten für die Präsidentschaft gemacht. Doch draußen auf der eigens für diesen Anlass so benannten Freedom Plaza inmitten des streng abgesperrten Parteitagsgeländes, zwischen Getränkeständen und einer dröhnenden Rock'n'Roll-Band, trieb ein ganz anderes Thema die Trump-Anhängerin Jacqueline aus Minnesota in Rage: „Warum verschweigen die Medien, dass Michelle Obama Millionen Dollar auf einem Urlaub in Spanien verpulvert hat?“, warf sie dem „Presse“-Korrespondenten erzürnt entgegen.

Eigentlich war es bis dahin im Gespräch um etwas anderes gegangen, nämlich die exorbitanten Kosten des amerikanischen Gesundheitswesens. Sollte man den Spitalsbetreibern nicht vielleicht Tarife vorschreiben, um ihre Kostentreiberei einzudämmen? Doch da wollte Jacqueline, eine alleinerziehende Mutter, die vor ihrem gewalttätigen Exmann aus Colorado geflüchtet ist und einen Waffenschein besitzt („Ich muss den endlich erneuern“), nicht weiterdiskutieren. Wie aus heiterem Himmel brachte sie die angeblich millionenteure Lustreise der First Lady aufs Tapet. Woher sie das wisse? „Reuters hat das geschrieben.“

„Dieser russische Artikel“

Eine schnelle Internetrecherche per Handy ergab bloß die allgemein bekannte Information über einen Kurzurlaub im Sommer 2010, den Obama mit ihrer jüngeren Tochter Sasha verbrachte. Kein Skandal, eine millionenschwere Steuergeldverschwendung. Was also ist die Quelle für Jacquelines Zorn? „Ah, vielleicht war es nicht Reuters, sondern dieser russische Artikel.“ Tatsächlich fand sich dann ein tendenziöser Bericht des vom Kreml finanzierten und gesteuerten Propagandamediums „Russia Today“ und, bei weiterer Suche, ein sachlicher Bericht der „New York Times“, der etliche falsche Angaben New Yorker Boulevardblätter über die Kosten dieser Reise stark nach unten korrigiert.

In solche Gespräche stolpert man ständig auf diesem Parteitagstreffen, das Trump mit der größten Zahl an Gegenstimmen zum Kandidaten machte, seit Ronald Reagan 1976 versucht hatte, Präsident Gerald Ford zu stürzen. 721 Delegierte stimmten für Trumps frühere Konkurrenten. Es war Trumps Behauptung, er bilde eine breite konservative Front, auch nicht zuträglich, dass die Delegation von Ohio lautstark ausgebuht wurde, als sie ihre 66 Stimmen für Gouverneur John Kasich zu Protokoll brachte.

„Jemand, der Luzifer anerkennt“

Denn den Trumpisten steht nicht der Sinn nach einem kompromissbereiten politischen Profi wie Kasich, der jahrelang im Kongress saß und Ohio ziemlich gut führt. Sie wollen das Grelle, Laute, Unerhörte.

Den mit Abstand lautesten Applaus des zweitens Abends, einen Empfang wie ein Rockstar, erhielt Ben Carson, der pensionierte Gehirnchirurg und evangelikale Fundamentalist. Er schoss sich auf Saul Alinsky ein, einen linken Organisationstheoretiker und politischen Aktivisten, über den Hillary Clinton ihre Abschlussarbeit als Studentin am Wellesley College geschrieben hatte. Alinsky hatte in seinem Buch „Rules for Radicals“ Luzifer ironisch als ersten Radikalen bezeichnet, der sich gegen das Establishment aufgelehnt hatte. Carson nahm das zum Anlass, der empörten Menge in der Arena zuzurufen: „Sind wir willens, jemanden zum Präsidenten zu wählen, der jemanden als Vorbild hat, der Luzifer anerkennt?“

Trump selbst heizt falsifizierte Verschwörungstheorien mit Gusto an; etwa jene, Präsident Obama sei gar nicht auf Hawaii geboren und somit verfassungswidrig ins Amt gekommen. „Wissen Sie, in unserem Hotel ist die Delegation aus Hawaii, und die munkelt, wer in der Behörde bestochen wurde, um seine Geburtsurkunde zu fälschen“, meinte Jacqueline.

„Trump ist mein Superstar!“

Die Welt, wie sie ist, abgebildet in nüchternen Daten: Damit wollen sich die Anhänger Trumps nicht abgeben. „Mehr als 70 Prozent der Leute sind heute gegen Abtreibungen“, sagte Robyn Tepper, die mit ihrem Cowboyhut rasch als Mitglied der texanischen Delegation zu erkennen ist. Tatsächlich sind es laut Gallup-Umfrage derzeit 19 Prozent, während 29 Prozent Schwangerschaftsabbrüche ohne und 50 Prozent mit Bedingungen gutheißen.

So rückt in den Hintergrund, dass Trump die berechtigten Sorgen vieler Amerikaner anspricht. „Niemand hat mir zugehört“, klagte Sabine Durden gegenüber der „Presse“. Sie war vor drei Jahrzehnten aus Nürnberg nach Kalifornien ausgewandert, ihr einziger Sohn starb bei einem Autounfall, den ein berauschter, sich illegal im Land aufhaltender Mexikaner verursacht hatte. Trump hatte sie am ersten Abend des Parteitags auf die Bühne gebracht. „Früher dachte ich: So ein Clown“, sagte sie. „Aber jetzt ist er mein Superstar!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

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