Die zwei Amerikas der Kandidaten

The images of U.S. Democratic presidential candidate Hillary Clinton and Republican Presidential candidate Donald Trump are seen painted on decorative pumpkins created by artist John Kettman in LaSalle
The images of U.S. Democratic presidential candidate Hillary Clinton and Republican Presidential candidate Donald Trump are seen painted on decorative pumpkins created by artist John Kettman in LaSalleREUTERS
  • Drucken

Hillary Clinton und Donald Trump erwecken bei ihrem Werben um das Weiße Haus den Eindruck, nicht vom selben Land zu sprechen. Ihre Anhänger sind Welten voneinander entfernt.

Cleveland. Der Parteitag der Republikaner ist passé, jener der Demokraten steht unmittelbar bevor: Was offenbaren diese ritualisierten Festakte der ideologischen Selbstbestätigung über den Zustand Amerikas, die Chancen der beiden Kandidaten und die politische Zukunft der weltgrößten Wirtschafts- und Militärmacht?

Land gegen Stadt, Alt gegen Jung, Männer gegen Frauen, Weiße gegen Nichtweiße: Diese grundlegende Spaltung der Wählergruppen zwischen konservativen und progressiven Parteien findet sich in jeder westlichen Gesellschaft, doch wohl nirgendwo so stark wie in den USA des Jahres 2016. Während Donald Trump an die Verlustängste einer älteren, fast durchwegs weißen und überwiegend männlichen Wählerschaft appelliert, die sich von der Zuwanderung dunkelhäutiger Menschen und der Veränderung der sozialen Gepflogenheiten bedroht fühlt, setzt Hillary Clinton darauf, die Obama-Koalition – Junge, Schwarze, Latinos, Asiaten, Homo-, Bi- und Transsexuelle sowie vor allem die Frauen – nach 2008 und 2012 ein drittes Mal zu den Urnen zu bewegen.

Ob Trump mit seinem Versprechen, Amerika „wieder groß zu machen“, am 8. November eher punkten wird als Clinton mit ihrem Appell, „besser gemeinsam“ voranzuschreiten, ist derzeit offen. Klar ersichtlich ist jedoch: Wechselwähler sind eine winzige Minderheit. Die Mobilisierung der eigenen Anhänger wird entscheiden, wer am 20. Jänner nächsten Jahres das Weiße Haus bezieht.

Hillary Clinton, der Systemprofi

Die gute Nachricht für Hillary Clinton: Kein amerikanischer Politiker ist so unbeliebt beim Volk wie Donald Trump, ihr Herausforderer. Die schlechte Nachricht: Clinton liegt knapp hinter ihm. Und noch ein Problem hat sie zu lösen: Rund zwei Drittel der Amerikaner sind laut Umfrage des Pew Research Center der Meinung, dass ihr wirtschaftliches System auf unfaire Weise den Mächtigen diene. Clinton, die Absolventin von Elitehochschulen, einstige Wirtschaftsanwältin, First Lady, Senatorin und Außenministerin, verkörpert mit ihren sechsstelligen Redehonoraren für Wall-Street-Banken und ihrer milliardenschweren Clinton-Familienstiftung genau dieses System.

Clinton tat sich im Vorwahlkampf gegen Bernie Sanders lange Zeit selbst keinen guten Dienst. Zu technokratisch, zu glatt, zu unpersönlich trat sie in den Fernsehdebatten auf. Oft fragte man sich als Zuschauer: Warum fällt es dieser Frau so schwer, wenigstens einmal einen Fehler zuzugeben – zumal die Amerikaner Fehltritte großmütiger beurteilen als die Europäer? Doch trotz der harten Konkurrenz von Sanders gewann Clinton die Nominierung mit klarer Mehrheit. Das lag vor allem daran, dass sie aus ihrer Schwäche eine Tugend zu machen wusste. Motto: Wer das System gerechter machen will, muss es von innen kennen. Ironischerweise behauptet Trump dasselbe von sich. Clinton wird nun alles daransetzen, Trumps Desinteresse an Details und seine Ignoranz politischer Zusammenhänge bloßzulegen. (go)

Donald Trump, Champion des Zorns

„Sperrt sie ein, sperrt sie ein“, rollten die Sprechchöre während des republikanischen Parteitreffens in Cleveland durch die Arena. Donald Trumps Anhänger sind von einer Wut auf Hillary Clinton und einem heißen Begehren beseelt, diese für ihre politischen Fehler und strafrechtlichen Grenzgänge hinter Gitter zu bringen. Doch noch etwas fiel dem Besucher der Konferenz bei der Betrachtung der Trumpianer auf: Sie waren fast allesamt weiß und eher älter.

Zwar brüsten Trump und seine Propagandisten sich mit der Behauptung, weiße Wähler – eine „schweigende Mehrheit“ – in rekordverdächtigen Mengen anzuziehen, auch aus den Rängen der Demokraten. Die demoskopischen Erhebungen stützen diese Behauptung jedoch nicht. 2012 lag Mitt Romney bei seiner Niederlage gegen Barack Obama bei den Weißen mit 17 Prozentpunkten voran. Trumps Vorsprung auf Clinton liegt laut Umfrage des Pew Research Center bei Weißen nur bei neun Prozentpunkten.

Bei schwarzen, hispanischen und jungen Wählern ist Trump so unbeliebt wie keiner seiner Vorgänger. In den Schlüsselstaaten Ohio und Pennsylvania erhielt er dieser Tage bei Umfragen null (!) Prozent schwarzer Wähler. Bei den Latinos lag Clinton im Juni laut Umfrage des Pew Research Center mit 66 zu 24 Prozent voran. Und laut neuer Umfrage des Harvard Institute of Politics hat Clinton derzeit auch bei den 18- bis 29-Jährigen gegenüber Trump deutlich die Nase vorn. (go)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.