Soziale Medien lieferten Erstinformationen vom Tatort

Die Sicherheitsbehörden riefen die Netzgemeinde dazu auf, keine Fotos vom laufenden Einsatz zu veröffentlichen – mit gemischtem Erfolg.

„Im Moment haben wir einen großen Polizeieinsatz am OEZ. Bitte meiden Sie den Bereich um das Einkaufszentrum.“ So lautete die erste Meldung der Münchner Polizei am frühen Freitagabend per Twitter. Während der Twitter-Account der Polizei danach für längere Zeit schwieg, explodierten die Meldungen in den sozialen Medien. Die – erst viel später von den Behörden bestätigte – Version, dass die Schießerei ein Terroranschlag war, fand in Minutenschnelle Verbreitung, inklusive entsprechender Vorverurteilungen je nach politischer Gesinnung: Während sich manche User sicher waren, es mit islamistischen Attentätern zu tun zu haben, wünschten sich andere weiße Mitteleuropäer als Schützen.

In den ersten Minuten nach der Schießerei im Münchner Olympiazentrum waren von den Behörden und den etablierten Medien nur sehr spärlich Einzelheiten zu erfahren. Es herrschte ein Informationsvakuum. Kaum eine Fernseh- oder Radio-Station hatte kurz nach dem Ereignis einen Reporter am Schauplatz. Auch Nachrichtenagenturen blieben einsilbig. Zu diesem Zeitpunkt waren in den sozialen Medien bereits Clips von aus dem Einkaufszentrum flüchtenden Zivilisten aufgetaucht – samt einer Lawine an Meldungen. Wenig später wurde ein Video geteilt, das einen mutmaßlichen Attentäter zeigte. Darin schoss er vor einer McDonalds-Filiale auf Passanten, die in Panik flüchteten.
Wie bei anderen Anschlägen in den letzten Monaten waren es die sozialen Medien, über die sich User am Schnellsten informierten. Nicht alles, was in Sekundenschnelle geteilt wurde, entsprach der Faktenlage.

Falschmeldungen veröffentlicht

Im Wettkampf um die aktuellsten Meldungen übernahmen auch etablierte Medien Falschmeldungen. So stellte der TV-Sender Sat.1 Bayern ein vermeintliches Foto aus dem Einkaufszentrum auf seinem Twitter-Profil online, das auf dem Boden liegende Menschen und eine Blutspur zeigte. Man hatte es in der Hektik des Geschehens von einem User offenbar ohne weitere Nachrecherche übernommen. Die Aufnahme stammte von einem Raubüberfall auf eine südafrikanische Mall im Jänner 2015. Eine ebenfalls über die sozialen Medien verbreitete Meldung über Schüsse am zentralen Münchner Stachus (Karlsplatz) stellte sich später als Fehlalarm heraus.

Dass man der ungefilterten Informationsweitergabe nur schwer Herr werden konnte, musste die Münchner Polizei erfahren. „Bitte keine Fotos/Filme von polizeilichen Maßnahmen online stellen. Unterstützt nicht die Täter!“, baten die Beamten mehrmals per Twitter, nachdem Fotos und Videos vom Polizeieinsatz im Netz aufgetaucht waren. All das mit gemischtem Erfolg. Die Sicherheitskräfte gaben über den Kurznachrichtendienst immer wieder Verhaltensanweisungen heraus – in mehreren Sprachen. Ansonsten verloren die Einsatzkräfte am Abend über den möglichen Aufenthaltsort der Flüchtigen kein Wort, auch um den eigenen Einsatz nicht zu gefährden und keine Panik zu provozieren.

Humor angesichts der Belagerungssituation sollte auch in München helfen: Ähnlich wie schon zuvor beim „Brussels Lockdown“ riefen User auf, Katzenbilder statt Tatortfotos zu posten. Facebook aktivierte seine „Safety Check“-Funktion, mit der Nutzer ihren Freunden informieren können, dass sie sich in Sicherheit befinden. Auch Solidaritätsgesten fanden über Twitter Verbreitung: Menschen boten unter dem Hashtag #offenetür jenen Betroffenen Unterschlupf an, die nach dem Polizeieinsatz in München ohne ein Hotelzimmer gestrandet waren.

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