Schon vor dem Putschversuch sei geplant gewesen, Prüfungen für 1500 neue Richter und Staatsanwälte anzubieten, sagte Justizminister Bozdag. Amnesty spricht von "glaubwürdigen Hinweise" auf Folter in der Türkei.
Nach den zahlreichen Festnahmen von Richtern und Staatsanwälten will die türkische Regierung die entstandene Lücke in der Justiz schnell schließen. Justizminister Bekir Bozdag kündigte am Sonntag die Anstellung von 3000 neuen Richtern und Staatsanwälten an. "Es wird keine Unannehmlichkeiten für unsere Bürger geben. Dafür haben wir Maßnahmen getroffen", sagte er nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu vom Sonntag dem Sender Kanal 7.
Schon vor dem Putschversuch sei geplant gewesen, im November Prüfungen für 1500 neue Richter und Staatsanwälte anzubieten, sagte Bozdag. Aufgrund der "jüngsten Entwicklungen" sei die Zahl der geplanten Neueinstellungen verdoppelt worden. Nach Angaben von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wurde seit dem Putschversuch Haftbefehl gegen mehr als 1500 Richter oder Staatsanwälte erlassen.
Der Justizminister bekräftigte außerdem die Forderung an die USA, den dort im Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen auszuliefern. Sowohl der US-Geheimdienst als auch US-Außenminister John Kerry wüssten, dass Gülen für den Putschversuch verantwortlich gewesen sei, erklärte Bozdag. Sollte die Auslieferung nicht erfolgen, werde das für "große Schwierigkeiten" in den Beziehungen beider Staaten sorgen.
Amnesty: "Glaubwürdige Hinweise" auf Folter
Indes hat Amnesty International nach eigenen Angaben "glaubwürdige Hinweise" auf Misshandlungen und sogar Folter von nach dem misslungenen Putschversuch in der Türkei Festgenommenen. Die Menschenrechtsorganisation forderte das Land am Sonntag auf, unabhängigen Beobachtern Zugang zu allen Einrichtungen zu gewähren, in denen die mehr als 13.000 Verdächtigen festgehalten würden.
"Berichte von Misshandlungen inklusive Schlägen und Vergewaltigung in Polizeigewahrsam sind extrem alarmierend", sagte Europa-Direktor John Dalhuisen nach einer am Sonntag verbreiteten Mitteilung. Die Regierung müsse diese "abscheulichen Praktiken" sofort stoppen. Amnesty kritisierte zudem das am Samstag erlassene Dekret von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der erste Erlass unter dem am Donnerstag verhängten Ausnahmezustand erlaubt unter anderem, dass Behördenvertreter bei Treffen von Verdächtigen und Anwälten anwesend sein und diese in Ton- oder Videoaufnahmen aufnehmen dürfen.
Die Regierung dementiert. "Die Idee, dass die Türkei, ein Land, dass nach der Mitgliedschaft in der EU strebt, das Gesetz nicht respektiert, ist absurd", sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul. "Wir weisen die Vorwürfe kategorisch zurück und ermutigen Lobbygruppen zu einer unparteiischen Darstellung der rechtlichen Schritte, die gegen Menschen ergriffen werden, die fast 250 Zivilisten kaltblütig ermordet haben."
(APA/dpa)