Hackt sich der russische Bär in den US-Wahlkampf?

Hillary Clinton und das Internet. Ihr Wahlkampfteam beschuldigt Russland, sich in die Parteirechner gehackt zu haben.
Hillary Clinton und das Internet. Ihr Wahlkampfteam beschuldigt Russland, sich in die Parteirechner gehackt zu haben. (c) REUTERS (CARLOS BARRIA)
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Vor dem demokratischen Parteitag stiftete die E-Mail-Affäre Unruhe. Doch wer stahl die Daten? Ermittler haben den Kreml im Verdacht. Clintons Team ist sich sogar sicher.

Wien. Die E-Mail-Affäre ist für Hillary Clinton unangenehm. Das liegt weniger am halbbrisanten Inhalt der 20.000 veröffentlichten Nachrichten aus dem Herzen der Demokratischen Partei als am Zeitpunkt der Enthüllung, kurz vor Clintons Kür zur Präsidentschaftskandidatin. Die Affäre stiftete Unruhe in der Partei, und sie lenkte im Vorfeld die Aufmerksamkeit weg von der Hillary-Clinton-Show, also dem gestern begonnenen Parteitag der Demokraten in Philadelphia. Regierungsbeamte und einige IT-Firmen hegen nun Berichten zufolge den Verdacht, dass Russland die E-Mails gestohlen und über WikiLeaks an die Öffentlichkeit gespielt hat – und zwar mit dem Kalkül, Trump zu helfen. Das FBI ermittelt.

Putin lobt Republikaner Trump

Clintons Team schlachtete den Verdacht gegen Moskau bereits politisch aus: „Uns wurde von Experten gesagt, dass russische Staatsakteure hinter den Angriffen stehen“, sagte Clintons Wahlkampfmanager Robby Mook, „“Die Russen versuchen damit, Trump zu helfen“. Trumps Sohn nannte Angriffe „absurd“, sein Vater habe davon gewusst.

Kaum Zweifel gibt es hingegen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin lieber Trump als Clinton im Weißen Haus sehen würde und dass der Kreml gern ihm zugeneigten Gruppen unter die Arme greift. Trump und Putin tauschten bereits Komplimente aus. „Zumindest ist Putin ein Anführer“, erklärte Trump in Richtung Obama. „Sehr talentiert“, nannte Putin den Republikaner Trump. Hinter netten Worten stehen handfeste Interessen: Trump stellt die Nato-Beistandspflicht im Fall eines Angriffs auf ein osteuropäisches Bündnismitglied infrage: Er würde sich zuvor ansehen, welchen Beitrag der Staat für die Nato leistet.

Einen Beweis für eine Verwicklung Russlands in den Hacker-Angriff gibt es nicht, nur eine heiße Spur. Schon im Juni deckte die IT-Firma CrowdStrike einen Cyber-Angriff auf den Parteivorstand auf. Zwei Hackergruppen sollen sich unabhängig voneinander Zugriff verschafft haben. „Cozy bear“ und „fancy bear“ taufte CrowdStrike die beiden Angreifer. Die „bear“-Namen sind eine Anspielung auf den russischen Bären. Die zwei Gruppen sind nun die Hauptverdächtigen, so die „New York Times“. Es gebe auch Parallelen zu russischen Cyber-Attacken auf das Außenministerium und das Weiße Haus, etwa den Einsatz derselben Malware. Und einige Computer waren in russischer Sprache konfiguriert.

Es kann sich dabei aber auch um eine falsche Spur handeln, die absichtsvoll gelegt wurde. Das gilt auch für das Bekennerschreiben eines Hackers, der sich Guccifer 2.0 nennt. Gewissheit über die Angreifer gibt es bei Cyber-Attacken nie oder erst spät, Spuren lassen sich leicht verwischen. Darin liegt der Reiz für die weltweit datenhungrigen Dienste, wie die NSA. Dass Informationen direkt als Waffe zur Beeinflussung eines Wahlkampfs verwendet werden, wäre aber ein neues Kapitel im Informationskrieg.

Obamas Halbbruder für Trump

Der Schaden der E-Mails hält sich jedoch in Grenzen. Dass die zur Neutralität verpflichtete Parteiführung eine Schlagseite für Clinton hatte, wie aus den Mails hervorgeht, war offenes Geheimnis. Unappetitlich ist, dass die Parteispitze Sanders Vorwahlkampf bewusst hintertrieb und auch dessen religiöse Einstellung gegen ihn ausspielen wollte. Parteichefin Debbie Wasserman Schultz trat nun zurück. Sanders ist damit besänftigt. Er kündigte erneut an, für Clinton wahlzukämpfen.
Beunruhigend für die Demokraten ist eine neue CNN-Umfrage, wonach Trump führt (48 zu 45 Prozent). Auch der in Kenia lebende Halbbruder des US-Präsidenten will Trump wählen, denn „er versucht nicht, politisch korrekt zu sein“, so US-Bürger Malik Obama.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2016)

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